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Direktlizenzierungen oder Kollektivverwertung bei Konzerten?
Immer häufiger war die SUISA zuletzt im Bereich der Verwertung von Aufführungsrechten mit dem Problem von Direktlizenzierungen konfrontiert, insbesondere bei Grosskonzerten.
Foto: Keystone / Valentin Flauraud
Von Vincent Salvadé, Deputy CEO
Seit einigen Jahren ist eine Zunahme der Fälle von sogenannten «Direktlizenzierungen» bei Konzerten zu verzeichnen, sowohl was ihre Anzahl betrifft als auch ihre wirtschaftlichen Auswirkungen. Diese Fälle zeichnen sich dadurch aus, dass die Rechteinhaber/innen ihre Rechte aus dem Netzwerk der Verwertungsgesellschaften herausnehmen, um sie entweder selbst zu verwerten oder sie ihrem Verlag oder einer Agentur anzuvertrauen. Die SUISA hält diese Entwicklung für problematisch und hat bestimmte Massnahmen ergriffen, um sie aufzuhalten.

Um das Problem zu verstehen, muss man sich zunächst die Vorteile der kollektiven Verwertung – insbesondere bei Konzerten – vor Augen führen.

Vorteile für die Rechteinhaber/innen

Erstens können bei der kollektiven Verwertung die Kosten verteilt werden. Die Dienstleistungen der SUISA werden durch einen Abzug von den Vergütungen finanziert, die den Rechteinhabern und -inhaberinnen gezahlt werden. Jene, die viel Geld erhalten, zahlen also einen grösseren Anteil an den Kosten als noch unbekannte Künstler/innen oder kleine Verlage. So kann die SUISA ihre Dienstleistungen allen Rechteinhabern und -inhaberinnen anbieten, unabhängig von ihrem Bekanntheitsgrad oder ihrer wirtschaftlichen Bedeutung.

Die Verwertungsgesellschaften verwalten auch Sozialfonds, die Renten an Personen im Pensionsalter sowie an deren Witwen, Witwer und Waisen auszahlen. Ausserdem haben sie Kulturfonds geäufnet, die zahlreiche Projekte zur Bereicherung des kulturellen Lebens in der Schweiz unterstützen. Diese Fonds (von Stiftungen verwaltet) werden durch einen Abzug von den bezahlten Vergütungen gespeist. Folglich tragen auch hier erfolgreiche Rechteinhaber/innen mehr bei als jene mit geringem Einkommen.

Und schliesslich beruht die kollektive Verwertung von Rechten auf der Idee «Gemeinsam sind wir stark». Gerade weil die SUISA eine grosse Zahl sehr unterschiedlicher, bekannter oder weniger bekannter, Rechteinhaber/innen vertritt, kann sie zu deren Gunsten gute Lizenzeinnahmen erzielen.

Zusammengefasst: Für Kulturschaffende und Verlage maximiert die Kollektivverwertung von Rechten die Vorteile der Solidarität.

Vorteile für die Veranstalter/innen

Da die SUISA die Rechte vieler Personen wahrnimmt, bietet sie den Konzertveranstaltern und -veranstalterinnen eine zentrale Anlaufstelle: Alle Rechte können relativ unkompliziert bei einer einzigen Adresse erworben werden. Dies umso mehr, als die SUISA mit den im Musikbereich tätigen ausländischen Verwertungsgesellschaften Gegenseitigkeitsverträge geschlossen hat. Auf dieser Basis übt sie in der Schweiz die Rechte an fast dem gesamten Weltrepertoire an geschützter Musik aus.

Aufgrund ihrer marktbeherrschenden Position kann die SUISA Entschädigungen nur nach Tarifen einnehmen, die mit den Veranstalterverbänden ausgehandelt und von der Eidgenössischen Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (Art. 46 URG) genehmigt wurden. Gegen die Entscheidungen der Schiedskommission kann Beschwerde eingelegt werden, zuerst beim Bundesverwaltungsgericht, dann beim Bundesgericht. Es gibt also eine staatliche Kontrolle, die gewährleistet, dass die von der SUISA angewandten Tarife rechtmässig sind.

Zusammengefasst: Für die Veranstalter/innen bietet die kollektive Rechteverwertung Rechtssicherheit, finanzielle Vorhersehbarkeit und Schutz vor überhöhten Tarifen.

Das Problem

Nach Art. 40 URG ist die Verwertung der Rechte an konzertant aufgeführter Musik der Bundesaufsicht unterstellt. Das bedeutet, dass sie eine Bewilligung des Eidgenössischen Instituts für geistiges Eigentum (IGE, vgl. Art. 41 URG) erfordert, die gewöhnlich nur einer einzigen Gesellschaft erteilt wird (Art. 42 Abs. 2 URG). Die Geltendmachung von Rechten ohne die erforderliche Bewilligung ist nach Art. 70 URG strafbar.

Das URG sieht eine Ausnahme von diesem System vor, wenn die Rechte «durch den Urheber oder die Urheberin oder deren Erben» verwertet werden (Art. 40 Abs. 3 URG). In einer Entscheidung vom 5. Mai 2023 vertrat das IGE die Ansicht, dass diese Ausnahme es den Rechteinhabern und -inhaberinnen auch erlaubt, sich durch eine Agentur vertreten zu lassen. Diese Entscheidung öffnete somit die Tür für Direktlizenzierungen etwas weiter.

Diese können verschiedene Gründe haben: Einige Rechteinhaber/innen sind der Ansicht, dass die kollektive Verwertung zu teuer ist, andere wollen nicht mehr zu den Sozial- und Kulturfonds der Verwertungsgesellschaften beitragen, und wieder andere möchten höhere Vergütungen als die offiziell genehmigten Tarife. Doch Direktlizenzierungen sind in jedem Fall problematisch, da sie der Solidarität zwischen den Rechteinhabern und -inhaberinnen und der Rechtssicherheit sowie der Vorhersehbarkeit für die Budgets der Konzertveranstalter/innen abträglich sind.

Lösungen

Um dieses Phänomen einzudämmen, war es nötig, die Attraktivität der Verwertung durch die SUISA für die Rechteinhaber/innen bei Grosskonzerten zu erhöhen.

Bei Konzerten zieht sie grundsätzlich 15% für die Verwaltungskosten und 10% für die soziokulturellen Fonds ab. Allerdings ist auch zu berücksichtigen, dass die Rechteinhaber/innen, deren Werke in Konzerten aufgeführt werden, bei der Verteilung der Vergütungen Zuschläge erhalten. Diese stammen unter anderem aus Vergütungen aus anderen Bereichen, die aufgrund fehlender Informationen über die Berechtigten nicht genau verteilt werden können. Im Grossen und Ganzen lässt sich sagen, dass die Rechteinhaber/innen über 85% des Betrags erhalten, den die SUISA bei den Konzertveranstaltern und -veranstalterinnen einnimmt. Doch reicht dies nicht in Anbetracht der Provisionen, die die Agenturen für Direktlizenzierungen praktizieren. Deshalb verabschiedete der Vorstand der SUISA im Herbst 2024 neue Bedingungen für bestimmte Grosskonzerte, die dieses Verhältnis auf über 95% erhöhen. Ferner schloss die SUISA ein Abkommen mit ihrer Schwestergesellschaft in Deutschland, der GEMA, um gemeinsam auf grosse internationale Künstler/innen zuzugehen und ihnen die Vorteile der kollektiven Verwertung vor Augen zu führen. Dies erfolgt über eine gemeinsame Plattform , die sogenannte «One Arena».

Diese Massnahmen haben das Ziel, dass die grossen Rechteinhaber/innen der kollektiven Rechteverwertung treu bleiben, weil diese mehr Sicherheit und mehr Einnahmen bietet. Das wiederum kommt den weniger bekannten Künstlern und Künstlerinnen und Konzertveranstaltern und -veranstalterinnen zugute. Doch um dieses Ziel zu erreichen und für die Zukunft zu sichern, ist die Hilfe des Gesetzgebers unerlässlich. Eine Revision von Art. 40 URG wäre nötig, um die Direktlizenzierung auf ein Minimum zu beschränken. Es wäre nicht übertrieben, wenn die Politik das Problem aufgriffe, denn es geht auch um ein öffentliches Interesse: nämlich, die aufstrebenden Künstler/innen zu unterstützen und die Respektierung des Urheberrechts durch die Konzertveranstalter/innen zu vereinfachen.

Gemeinsam mit dem Verband der Konzertveranstalter/innen (SMPA) will die SUISA in dieser Sache beim Gesetzgeber aktiv werden.

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