Wenn es ein Thema gibt, das regelmässig für Diskussionen sorgt, dann sicher die Unterscheidung zwischen kleinen Rechten und grossen Rechten. Erstere betreffen die nicht-theatralischen Musikwerke und fallen unter die Zuständigkeit der SUISA, Letztere stehen in Verbindung mit musikdramatischen Werken und bestimmten Arten von Ballett und werden von der Schweizerischen Autorengesellschaft (SSA) oder direkt von den Verlagen wahrgenommen. Text von Vincent Salvadé

Bei der Unterscheidung, ob ein Werk als musikdramatisch oder nicht-theatralisch gilt, steht grundsätzlich die Frage im Zentrum, ob die Schöpfung einen szenischen Ablauf hat und ob es Personen gibt, die Rollen spielen. Was bedeutet diese abstrakte Definition von kleinem und grossem Recht in der Praxis? (Foto: Elnur / Shutterstock.com)
Die Unterscheidung von kleinen und grossen Rechten sorgt regelmässig für Diskussionen, denn sie basiert auf unklaren Kriterien, die von Fall zu Fall interpretiert werden müssen. Die folgenden Erläuterungen sollen etwas Klarheit bringen.
Rechtlicher Kontext
Die der SUISA vom Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) erteilte Bewilligung zur Rechtewahrnehmung betrifft die «nicht-theatralischen Musikwerke». Diese Bezeichnung wurde in einer Verordnung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 23. Februar 1972 präzisiert. Heute ist dieser Rechtstext formell nicht mehr in Kraft, doch das Bundesgericht hat entschieden, dass dessen Grundsätze noch immer angewendet werden können, um ein nicht-theatralisches Werk zu definieren: Hier übernimmt nämlich das aktuelle Recht ganz einfach das alte Recht (Urteil 2A_180/1994 vom 10. Mai 1995). Daher integrierte die SUISA die Kriterien der Verordnung von 1972 in ihre Allgemeinen Wahrnehmungsbedingungen, die Teil der Verträge sind, die sie mit ihren Mitgliedern schliesst.
Etwas vereinfacht lässt sich sagen, dass die nicht-theatralische Musik im Zuständigkeitsbereich der SUISA sämtliche Musikwerke umfasst, mit Ausnahme der musikdramatischen Werke und der Musik für bestimmte Ballette. Diese Ausnahmen nennt man die «grossen Rechte».
Wo gelten die grossen Rechte?
Es gibt eine abstrakte Definition der Werke, die unter die grossen Rechte fallen: Es handelt sich um Werke, «deren szenischer Ablauf durch Personen in bestimmten Rollen dargestellt und von der Musik so getragen wird, dass die Werke in der Regel nicht ohne Musik verwendet werden können.»
Ja, klar, … doch was bedeutet das in der Praxis?
- Zunächst einmal muss das Werk einen szenischen Ablauf haben. Doch irgendein «Bühneneffekt» reicht nicht: Ein Konzert bleibt im Zuständigkeitsbereich der SUISA, auch wenn Tänzerinnen und Tänzer die Interpreten/innen begleiten, eine Light Show stattfindet oder Kostüme verwendet werden, usw. Damit es sich um ein Werk mit grossen Rechten handelt, müssen Personen auftreten, die bestimmte Rollen spielen. Aus diesem Grund werden die Rechte an Opern, Operetten und Musicals nicht von der SUISA wahrgenommen.
Die Bedingung, «Rollen zu spielen» ist grundsätzlich erfüllt, wenn sich eine Geschichte auf der Bühne abspielt und Personen auftreten. Doch nicht nur: Abstrakte Ballette beruhen nicht auf einer Handlung, sondern eher auf der Vorstellung, sich durch Tanz auszudrücken. Für ein Werk mit grossen Rechten müssen die Tänzerinnen und Tänzer festgelegte Rollen übernehmen, auch wenn sie keine Geschichte «erzählen». Zum Beispiel: Eine Figur verkörpert das Böse, eine andere das Gute. Eine symbolisiert den Mond, eine die Erde, usw. Das «Rollenspiel» muss demnach eine gewisse Bedeutung für die Darstellung des Werkes haben, es darf nicht nur im Schatten der Musik stehen. - Des Weiteren muss der szenische Ablauf eng mit der Musik verknüpft sein. Hier sei zunächst einmal ein doch recht verbreitetes Missverständnis geklärt: Die Tatsache, dass die Musik eigens für das Bühnenwerk komponiert wurde, ist nicht entscheidend. Bestehende Musikwerke können (mit der Zustimmung der Rechteinhaber/innen) Bestandteil eines musikdramatischen Werkes werden, wenn die Aufführung unter die grossen Rechte fällt. Umgekehrt bleibt eine speziell für ein Theaterstück (als Beispiel) komponierte Musik unter gewissen Umständen ein nicht-theatralisches Musikwerk. Entscheidend ist nämlich, wie eng die Musik mit dem szenischen Ablauf verknüpft ist.
Juristinnen und Juristen vertreten gewöhnlich die Meinung, dass ein musikdramatisches Werk in der Regel nicht ohne Musik und auch nicht mit anderer Musik gespielt werden kann. Diese Aussage mag vereinfacht tönen, doch sie weist den Weg: Wenn ein Text beispielsweise gesungen wird, ist es schwer vorstellbar, dass die Aufführung ohne Musik oder mit anderer Musik stattfinden kann. Aus diesem Grund sind Opern, Operetten oder Musicals Werke mit grossen Rechten. Wenn hingegen ein Theaterstück eine Szene umfasst, in der sich der Schauspieler ein Lied der Gruppe U2 anhört, so kann man sich durchaus vorstellen, dass das Stück mit einem anderen Lied einer anderen Rockband aus den 1980er-Jahren aufgeführt werden kann. Aus diesem Grund bleibt der Titel von U2 ein Werk mit kleinen Rechten.
Zwischen diesen beiden Extremen gibt es Situationen, in denen die Unterscheidung schwieriger ist. Wenn eine Komponistin oder ein Komponist ein Musikwerk eigens für eine Aufführung schafft, tut er oder sie das natürlich mit Blick auf ein bestimmtes künstlerisches Ergebnis. Mit anderer Musik wäre das Ergebnis nicht das gleiche. Doch die relevante Frage ist eher: Müsste man mit anderer Musik auch den szenischen Ablauf grundlegend überarbeiten, damit die Aufführung stattfinden kann? Nur wenn diese Frage bejaht wird, würde man in Anbetracht der engen Verknüpfung zwischen der Musik und dem szenischen Ablauf von einem musikdramatischen Werk ausgehen.
Keine Wahlmöglichkeit zwischen der SUISA und der SSA
Die oben erwähnten Fragen sind komplex und die Konsequenzen der Antworten weitreichend: Die Verwertung der kleinen Rechte durch die SUISA unterliegt der staatlichen Kontrolle, was bei der Verwertung der grossen Rechten durch die SSA oder die Verleger/innen nicht der Fall ist. Das bedeutet, dass sich die Verwertungsregeln unterscheiden, insbesondere die Vergütungstarife. Die Urheber/innen und Veranstalter/innen könnten versucht sein, diese Unterschiede auszunutzen: Erstere, um eine höhere Vergütung zu erhalten, Letztere, um weniger zu bezahlen.
Doch sie haben nicht die Wahl: Entweder fällt das genutzte Werk unter die kleinen Rechte und somit in den Zuständigkeitsbereich der SUISA oder es fällt unter die grossen Rechte, und die SSA oder der Musikverlag kommt ins Spiel (vorbehaltlich einiger Ausnahmen, die in der Praxis selten sind: Zum Beispiel, wenn die Urheberin oder der Urheber seine Rechte selber wahrnimmt, oder ein Verlag erteilt der SUISA ein Sondermandat in einem Fall, der eigentlich unter die grossen Rechte fällt). Wenn die SSA oder die Verlage Vereinbarungen treffen in einem Bereich, der unter der Aufsicht des Bundes steht und somit in den Zuständigkeitsbereich der SUISA fällt, begehen sie nach Art. 70 URG (Urheberrechtsgesetz) eine strafbare Handlung. Umgekehrt – wenn die SUISA eine Lizenz erteilt, ohne über die erforderlichen Rechte zu verfügen – ist die Lizenz ungültig und befreit die Veranstalter/innen nicht von ihrer urheberrechtlichen Verantwortung.
Aus rechtlicher Sicht ist es daher wichtig, dass die Zuständigkeiten der verschiedenen Beteiligten respektiert werden. Ist die Situation unklar, arbeiten die SUISA und die SSA zusammen und suchen gemeinsam nach Lösungen, die ein möglichst hohes Mass an Rechtssicherheit gewährleisten.
Melden Sie Ihre Musik mit grossen Rechten dennoch bei der SUISA an!
Die Mitglieder der SUISA, die Musik für ein Werk mit grossen Rechten komponieren, sind gut beraten, diese Musik dennoch auch bei der SUISA anzumelden. Es gibt nämlich Situationen, in denen die SUISA trotzdem für die Verwertung der Musikrechte zuständig ist. Und zwar in den folgenden Fällen:
- Die Musik wird ohne szenischen Ablauf verwendet; beispielsweise eine Ballettmusik ohne Tanz, oder ein musikdramatisches Werk, das konzertant aufgeführt wird.
- Es werden nur Auszüge aus einem Werk mit grossen Rechten verwendet, insbesondere im Radio oder Fernsehen; unter bestimmten Bedingungen gelten diese Auszüge als nicht-theatralische Musik, für die die SUISA zuständig ist.
Mit der Werkanmeldung bei der SUISA haben die Komponistinnen und Komponisten alles Notwendige unternommen, um eine wirksame Verwertung ihrer Rechte sicherzustellen. Wenn parallel dazu die Verwertung der grossen Rechte der SSA übertragen wurde oder in den Zuständigkeitsbereich eines Verlags fällt, liegt es an den verschiedenen Beteiligten, ihr Bestes zu tun, um die rechtlichen Schwierigkeiten zu beseitigen …
Artikel zum Thema |
![]() |
![]() |
![]() |
Wenn es ein Thema gibt, das regelmässig für Diskussionen sorgt, dann sicher die Unterscheidung zwischen kleinen Rechten und grossen Rechten. Erstere betreffen die nicht-theatralischen Musikwerke und fallen unter die Zuständigkeit der SUISA, Letztere stehen in Verbindung mit musikdramatischen Werken und bestimmten Arten von Ballett und werden von der Schweizerischen Autorengesellschaft (SSA) oder direkt von den Verlagen wahrgenommen. Text von Vincent Salvadé

Bei der Unterscheidung, ob ein Werk als musikdramatisch oder nicht-theatralisch gilt, steht grundsätzlich die Frage im Zentrum, ob die Schöpfung einen szenischen Ablauf hat und ob es Personen gibt, die Rollen spielen. Was bedeutet diese abstrakte Definition von kleinem und grossem Recht in der Praxis? (Foto: Elnur / Shutterstock.com)
Die Unterscheidung von kleinen und grossen Rechten sorgt regelmässig für Diskussionen, denn sie basiert auf unklaren Kriterien, die von Fall zu Fall interpretiert…Weiterlesen
Schreibe einen Kommentar