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KI-generierte Songs und das Urheberrecht
The Velvet Sundown schaffte es aus dem Nichts in die Medien und zu Millionen Streams.
Bild: generiert mit ChatGPT
Text von Benjamin Gut
Innert Kürze wurde The Velvet Sundown zu einem Stern am Pop-Himmel – komplett erzeugt durch generative künstliche Intelligenz. Ein Blick auf urheberrechtliche Fragen rund um KI-generierte Musik am Beispiel der viral gehypten «Band».

In nur sechs Wochen von Juni bis Juli 2025 veröffentlichte The Velvet Sundown drei Alben mit jeweils dreizehn Songs. Innert Kürze wurden die Songs millionenfach gestreamt. Der Clou? Die «Band» sowie sämtliche von ihr stammenden Bilder, Texte und Songs wurden durch generative künstliche Intelligenz (KI) erzeugt. Alles wirkt stimmig und geschickt gemacht: Der charakteristische Gelbstich der von Dall-E erzeugten Bildern passt zur Vintage-Ästhetik, die bisweilen kitschigen Songtexte von ChatGPT erinnern an hippieske Protestsongs und die klanglichen Artefakte von Suno werden durch das saturierte und eher dumpfe 1970er Klangbild schön maskiert.

Am Beispiel von The Velvet Sundown kann gut auf die vielen urheberrechtlichen Fragestellungen eingegangen werden, mit denen die SUISA im Zeitalter von generativer KI zunehmend konfrontiert wird.

Sind die Songs von The Velvet Sundown urheberrechtlich geschützt?

Das Urheberrechtsgesetz (URG) definiert das geschützte Werk als geistige Schöpfung der Literatur und Kunst mit individuellem Charakter. Ein schutzfähiges Werk muss demzufolge Ausdruck einer Gedankenäusserung sein und auf menschlichem Willen beruhen. Urheber/in kann dementsprechend auch nur eine natürliche Person, also ein Mensch, sein. Somit geniessen reine KI-Erzeugnisse, wie z. B. die Songs von The Velvet Sundown, keinen urheberrechtlichen Schutz, sondern sind gemeinfrei. Ausschlaggebend ist vereinfacht gesagt, ob die Komposition vom Menschen oder vom Algorithmus stammt.

Mit einem simplen Prompt – einer kurzen Anweisung an ein KI-Modell, um damit Inhalte zu erzeugen – wird also kein urheberrechtlich geschütztes Werk geschaffen. Insbesondere wenn zwei identische Prompts zu zwei völlig unterschiedlichen Melodien führen, ist das ein eindeutiges Indiz dafür, dass die Melodie nicht vom Menschen, sondern von der KI geschaffen wurde.

Schwierig wird die Beurteilung der Schutzfähigkeit, wenn der menschliche Schaffensanteil an einem Song – im Gegensatz zum algorithmischen – einerseits hoch genug ist und andererseits im generierten Output Ausdruck findet. Gegebenenfalls kommt urheberrechtlicher Schutz dann nämlich wieder in Frage, obwohl das Werk mithilfe von KI entstanden ist. Zum Beispiel ist dies der Fall, wenn bei einem Song die Musik von einer KI generiert und der Text von einem Menschen geschaffen wurde (oder umgekehrt). Sofern der von einem Menschen geschaffene Werkteil für sich genommen die urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen erfüllt, handelt es sich bei einem solchen Hybridwerk um ein geschütztes Werk.

Könnte man diese Songs bei der SUISA anmelden?

Damit die SUISA auf die Nutzung von Musik eine Lizenzgebühr erheben kann, braucht es zwei Dinge: Bei der Musik muss es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handeln und das Nutzungsrecht an diesem Werk muss ihr übertragen worden sein. Durch die Werkanmeldung werden der SUISA die zur Lizenzierung von Musiknutzungen nötigen Rechte übertragen. In Bezug auf die urheberrechtliche Schutzfähigkeit stellt KI-generierte Musik eine besondere Herausforderung dar.

Mittlerweile sind auf dem Markt Tools erschienen, die behaupten, durch künstliche Intelligenz geschaffene Songs von herkömmlicher Musik unterscheiden zu können. Die Analyse der Songs des dritten Albums von The Velvet Sundown mit einem solchen Erkennungssystem (genannt KI-Detektor) ergibt, dass alle dreizehn Titel mit einer Wahrscheinlichkeit von 98 % mit Suno, einer beliebten Musik-KI, generiert wurden. Als problematisch erweist sich, dass dabei die Produktion, nicht aber die Komposition analysiert wird. Dass nebst der Produktion auch der darin enthaltene Text oder die Komposition von Suno geschaffen wurde, davon kann nicht ohne Weiteres ausgegangen werden.

Ob es sich im Einzelfall also um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt oder nicht, kann die SUISA aufgrund der unsicheren Beweislage nicht mit Sicherheit feststellen. Sie stellt deswegen aber vertraglich sicher, dass sie nicht unfreiwillig gemeinfreie Musik verwertet: Durch die Einwilligung in die Allgemeinen Wahrnehmungsbedingungen sichert der/die Urheber/in gegenüber der SUISA nämlich zu, dass er oder sie keine rein durch künstliche Intelligenz generierten Songs anmeldet.

Sofern es sich bei den Songs von The Velvet Sundown also weder um von einem Menschen komponierte Werke noch um Hybridwerke (siehe hierzu oben), sondern um rein KI-generierte Songs handelt, dürfen diese bei der SUISA nicht angemeldet werden. Soweit ersichtlich, ist eine solche Werkanmeldung weder bei der SUISA noch bei einer ihrer Schwestergesellschaften eingegangen.

Weitere Informationen zur Werkanmeldung bei Verwendung von künstlicher Intelligenz können in den FAQ auf der SUISA-Website nachgelesen werden.

Darf man rein KI-generierte Songs eigentlich bei Spotify etc. hochladen?

Grundsätzlich können KI-Songs, die weder urheberrechtlich geschützt noch bei einer Verwertungsgesellschaft angemeldet sind, bei Streamingdiensten hochgeladen werden. Je nach Aggregator – im Fall von The Velvet Sundown ist dies DistroKid – wird der Upload von rein KI-generierter Musik allerdings geduldet oder untersagt (z. B. iMusician). DistroKid verweist jedoch auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der KI-Anbieter. Und in den AGB von Suno wiederum steht, dass nur Anwender/innen, die ein kostenpflichtiges Abo gelöst haben, die Songs kommerziell verwenden dürfen. Allerdings behält sich Suno das Recht vor, jeglichen von den Usern/innen generierten Output ebenfalls zu nutzen, einschliesslich kommerzieller Nutzung durch Dritte. Zusätzlich behält sich Suno vor, alle Prompts, Songtexte und Audiodateien, die Benutzer eingeben, für ihre Zwecke zu verwenden – und zwar nicht nur für das weitere Training des Modells, sondern sogar zur Weitergabe an Dritte.

Werden KI-generierte Songs als solche gekennzeichnet?

Im Gegensatz zu Spotify oder Tidal wird beim französischen Streamingdienst Deezer darauf hingewiesen, wenn Songs mutmasslich mithilfe von künstlicher Intelligenz erstellt worden sind, auch bei allen drei Alben von The Velvet Sundown wird dieser Hinweis angezeigt. Laut Deezer werden täglich 30 000 rein KI-generierte Songs neu auf die Plattform hochgeladen, was einem Anteil von 28 % entspreche (Stand: September 2025). Durch den KI-Hinweis werden die Hörer/innen einerseits über das Vorhandensein von KI-Musik aufgeklärt, andererseits tauchen solche Songs nicht mehr in den redaktionellen sowie den automatisierten Empfehlungen von Deezer auf. Dies soll zu weniger Sichtbarkeit und Reichweite und somit zu geringeren Einnahmen für KI-Musik führen. Eine solche Deklaration könnte jedoch auch dazu führen, dass ein Werk eines Menschen aufgrund einer Umsetzung durch ein KI-Tool wie Suno als «KI-generierter Inhalt» deklariert wird, da Deezer nicht zwischen Komposition und Produktion unterscheiden kann.

Könnten die Songs fremde Urheberrechte verletzen?

Falls ein KI-generierter Song in den Schutzbereich eines bereits bestehenden Songs fällt, könnte eine Urheberrechtsverletzung vorliegen. Dazu müsste der KI-Song entweder identisch mit einem geschützten Werk sein oder der individuelle Charakter eines Originals müsste im KI-generierten Song erkennbar sein. Der Gema, der deutschen Schwestergesellschaft der SUISA, ist es gelungen, aufzuzeigen, dass Suno nicht nur Neues, sondern auch Plagiate generieren kann.

Von einem Plagiat abzugrenzen wäre das Imitieren eines reinen Stilmittels durch die generative KI. Für die Musik bedeutet dies, dass sowohl Kompositionstechniken als auch Stilrichtungen nachgeahmt werden dürfen, solange nicht konkrete Teile eines Werkes plagiiert werden. Auch Akkordfolgen, also die Kombination und die zeitliche Abfolge von Akkorden, sind nicht schutzfähig.

Ist die Nutzung von KI-Musik fair?

Damit ein Musikmodell wie dasjenige von Suno Songs generieren kann, muss es vorher mit einer Vielzahl von menschengemachten Songs trainiert worden sein, was bislang grösstenteils ohne Zustimmung der Rechteinhaber/innen passiert. Bei der Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke als Trainingsdaten für KI-Systeme herrscht grosse Rechtsunsicherheit – die Gesetzeslage erweist sich hier als klärungsbedürftig.

Eine Studie der CISAC, des internationalen Dachverbands der Verwertungsgesellschaften, geht davon aus, dass KI-generierte Inhalte unter den bestehenden regulatorischen Umständen einen massiven finanziellen Einfluss auf die Kreativbranche haben werden. Während die Einnahmen für Urheber/innen über 20 % sinken, steigen die Umsätze von KI-Unternehmen jährlich um Millionen.

Die generativen KI-Tools wie Suno oder Udio funktionieren jedoch ohne Einwilligung der Komponisten, Textautorinnen, Arrangeure, Interpretinnen, Verlage, Labels etc., ohne Offenlegung der Trainingsdaten und ohne die Zahlung von Lizenzgebühren. Deshalb sind dringend faire gesetzliche Rahmenbedingungen für das kulturelle Schaffen nötig.

Auch für Nutzungen von KI-generierten Inhalten ausserhalb der Privatsphäre bestehen in der aktuellen Rechtslage diverse Unsicherheiten, angefangen bei möglichen Urheberrechtsverletzungen in Form von Plagiaten bis zu Zuwiderhandlungen gegen die (teils unterschiedlichen) Vertragsbedingungen von KI-Anbietern, Streamingplattformen oder Aggregatoren.

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