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Zweiter Anlauf für die Revision des Schweizer Urheberrechtsgesetzes

Zweiter Anlauf für die Revision des Schweizer Urheberrechtsgesetzes
Zurück auf Feld 1: Die Arbeitsgruppe Urheberrecht geht zum zweiten Mal an den Start. Bis Ende 2016 sollen konkrete Gesetzestexte für eine Revision des Schweizer Urheberrechts vorliegen.
Foto: Manu Leuenberger
Text von Andreas Wegelin
Der Vorentwurf des Bundesrats für eine Revision des Schweizer Urheberrechtsgesetzes hat sich in der Vernehmlassung als nicht mehrheitsfähig erwiesen. Die zuständige Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat in der Folge erneut eine Arbeitsgruppe einberufen. Die AGUR12 II soll bis Ende 2016 entlang des bereits seit mehr als 2 Jahren feststehenden Kompromisses der AGUR12 konkrete Gesetzesvorschläge ausarbeiten.

Im 19. Jahrhundert war die Schweiz an vorderster Stelle mit dabei, als es darum ging, die Schutzrechte für Urheber international zu verankern. Die Berner Übereinkunft von 1879 war der erste Staatsvertrag zum Urheberrecht. Von dieser Pionierrolle der Schweiz ist heute nichts mehr zu erkennen.

Im Gegenteil: Das bestehende Schweizer Urheberrechtsgesetz wurde nach 30-jährigen Diskussionen auf Druck der USA am 1. Juli 1993 in Kraft gesetzt. Wichtige Handelsvereinbarungen mit den USA hätten sonst nicht verwirklicht werden können. Bei der Teilrevision des Gesetzes 2006 gab es eine ähnliche Situation.

Eine Anpassung des Urheberrechts an die technologischen Entwicklungen ist mittlerweile fällig. Auch in der Europäischen Union finden seit einiger Zeit Diskussionen über dieses Thema statt. Die Europäische Kommission hat am 14. September 2016 den Entwurf für eine Richtlinie zum Urheberrecht im gemeinsamen Markt vorgelegt. In der Richtlinie der EU werden die heutigen Probleme wie «Haftung des Internet-Service-Providers» zumindest angesprochen.

Revision des Schweizer Urheberrechts 2011 angestossen

In der Schweiz geht die Revision des Urheberrechtsgesetzes und die Anpassung der rechtlichen Regelungen an die heutigen Nutzungsformen in der digitalen Welt nur schleppend voran. Zur Erinnerung: Auslöser für die laufenden Gespräche über eine Aktualisierung des Schweizer Urheberrechtsgesetzes war im August 2011 die Antwort des Bundesrats auf ein Postulat von Ständerätin Géraldine Savary.

Der Bundesrat meinte damals: Die bestehenden gesetzlichen Regelungen seien auch bei den aktuellen digitalen Nutzungsmöglichkeiten genügend. Die Urheber müssten die gegebenen rechtlichen Möglichkeiten besser ausschöpfen und ihre Einnahmenausfälle wegen Internet-Piraterie anderweitig ausgleichen: zum Beispiel mehr Live-Konzerte geben, um die tieferen Einnahmen aus Tonträgerverkäufen auszugleichen.

Diese Antwort führte zu einem Sturm der Entrüstung bei den Rechteinhabern. Bekannte Urheber und Musiker hauptsächlich aus dem Rock-/Pop-Bereich schlossen sich zusammen im schlagkräftigen Verein «Musikschaffende Schweiz». Die Produzentenverbände Audiovision Schweiz und IFPI gründeten zusammen mit den Verwertungsgesellschaften und weiteren Partnern die «Allianz gegen Internetpiraterie».

Der AGUR12-Kompromiss

Den konzertierten Forderungen nach Massnahmen gab Bundesrätin Sommaruga schliesslich nach: Im Sommer 2012 rief sie die Arbeitsgruppe Urheberrecht 2012 ins Leben. Die AGUR12 hatte die Aufgabe: «Möglichkeiten zur Anpassung des Urheberrechts an die technische Entwicklung aufzuzeigen. Darunter fallen insbesondere Identifikation und Beseitigung von Nutzungsschranken und Behinderungen des Wettbewerbs, die Sicherstellung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte und die Pirateriebekämpfung. Andererseits ist die kollektive Verwertung auf Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung und Kostensenkung zu überprüfen.»

Ende 2013 schloss die AGUR12 ihre Arbeit mit Empfehlungen ab, die von allen Beteiligten mitgetragen wurden. Man kann von einem «AGUR12-Kompromiss» sprechen. Die Forderung nach einer Umsetzung der Empfehlungen blieb ein evidentes Thema für den Bundesrat: In der Folge reichten verschiedene Kreise Vorstösse im Parlament ein, welche vom Bundesrat jeweils mit Hinweis auf die anstehende Gesetzesrevision beantwortet und damit auf später verschoben wurden.

Vorentwurf und Vernehmlassung

Im Dezember 2015 präsentierte der Bundesrat dann einen Vorentwurf für eine Gesetzesrevision, welcher bis Ende März 2016 in die Vernehmlassung ging. Besonders störend an diesem Vorentwurf war, dass er sich zwar an den Empfehlungen der AGUR12 orientierte, jedoch weitere Vorschläge aus der Verwaltung hinzugefügt wurden; wie zum Beispiel eine erweiterte und verschärfte Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften. Die SUISA hat mit einer ausführlichen Stellungnahme geantwortet und konkrete Verbesserungsvorschläge für den Gesetzestext ausformuliert.

In der Vernehmlassung sind über 1200 Stellungnahmen eingegangen. Davon sind all jene der Bibliotheken und Archive (rund 400) gleichlautend. Sie verlangen nach einfachen Möglichkeiten zum Zugänglichmachen ihrer Archive. Für die Schwierigkeiten bei der Nutzung der Rechte machen sie unter anderem die Verwertungsgesellschaften verantwortlich. Allerdings sind es gerade die Verwertungsgesellschaften, welche durch Bündelung der Rechte Nutzungen ermöglichen können.

AGUR12 II einberufen

Die zuständige Bundesrätin musste diesen Sommer feststellen, dass die Vernehmlassungsvorlage von allen Seiten unter Beschuss kam und weit weg von einer mehrheitsfähigen Lösung ist. Noch bevor der Bundesrat über den weiteren Gesetzgebungsprozess im Urheberrecht entscheiden kann, will sie deshalb den betroffenen Kreisen noch einmal die Möglichkeit geben, eine tragfähige Lösung zu finden.

Am 30. August 2016 rief Bundesrätin Sommaruga deshalb die AGUR12 II ins Leben. Ergänzt durch Interessenvertreter der Internet-Provider und Fachleuten aus dem Bundesamt für Justiz soll die AGUR12 II entlang des bereits seit mehr als 2 Jahren feststehenden Kompromisses der AGUR12 nun konkrete Gesetzesvorschläge ausarbeiten.

Die neue AGUR12 II hat inzwischen ihre Arbeit aufgenommen. In der ersten Sitzung zeigte es sich, dass die Mitglieder mit den unterschiedlichen Interessenlagen durchaus zielgerichtet und konstruktiv vorgehen. So wurden konkret weitere Untergruppen gebildet, mit dem Ziel in einem kleineren aber repräsentativen Kreis konkrete Gesetzestexte vorzubereiten. Ende 2016 soll ein Resultat vorliegen.

Gesetzesrevision um 30 Monate zurückgeworfen

Die Verwertungsgesellschaften sind in der AGUR12 II auf Seiten der Urheber aktiv. Ihre Vertreter verfügen über das notwendige juristische Wissen für das Formulieren von gesetzlichen Regelungen. Ein modernisiertes Urheberrecht mit fairen Rahmenbedingungen für die Rechteinhaber ist ein Kernanliegen der Genossenschaft der Urheber und Verleger von Musik: Die SUISA stellt ihr Fachwissen gerne zur Verfügung und arbeitet aktiv in der Arbeitsgruppe mit.

Mit der Einsetzung der AGUR12 II ist die Revision des Urheberrechts in der Schweiz um 30 Monate zurückgeworfen worden. Zurück auf Feld 1, wo die AGUR12 mit ihren Empfehlungen Ende 2013 aufgehört hat. Man gewinnt den Eindruck, für die Regierung sind die Ideen zur Handelspolitik und zur Landwirtschaftspolitik klarer als jene zum Urheberrecht. Das ist bedauerlich, umso mehr weil sich die Schweiz einst als Pionier im Gebiet der Schutzrechte für Urheber als veritable Kulturnation hervortun konnte.

Weiterführende Informationen:
«Urheberrecht in der EU und die AGUR12», in SUISAinfo 1.14 (PDF, 828 KB)
«Vorschläge der AGUR12 – ein ausgewogener Kompromiss», in SUISA Jahresbericht 2013 (PDF, 5 MB)

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