Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Filmmusikpreises 2015 der FONDATION SUISA. Nach 2007 ist dies bereits das zweite Mal, dass du diesen Preis gewinnst. Was bedeutet dir diese Auszeichnung?
Es ist natürlich grossartig, anerkannt zu werden, ganz besonders auch weil dieser Preis von einer Jury von sehr kompetenten Leuten verliehen wird.
Du hast den Filmmusikpreis für den Soundtrack zum Dokumentarfilm «Dark Star – HR Gigers Welt» erhalten. HR Giger war bekannt für seine düsteren, apokalyptischen Bilder und war eine starke Persönlichkeit, die polarisiert hat. Wie bist du beim Komponieren der Musik zu diesem Dokumentarfilm vorgegangen?
Zuerst einmal habe ich sehr ausführlich mit der Regisseurin, Belinda Sallin, gesprochen, um herauszufinden, wie der Protagonist dargestellt wird und was der Film zeigen will. Es könnten unzählige Filme über HR Giger gedreht werden, aber für mich als Musiker war nicht die Frage im Vordergrund, wie ich zu HR Giger oder seinen Bildern stehe, sondern eher: Was ist der Gesichtspunkt des Filmes? Um was geht es in diesem Film und was will er wirklich zeigen?
Dann versuche ich, mir anhand eines Rohschnitts vorzustellen, welcher Klang zu diesem Film passen könnte. Das ist die schwierigste Frage, sowie zu wissen, wo die Musik ansetzen kann. Das ist meistens ein langer Prozess des Suchens, Skizzierens und Auswählens.
HR Giger hat oftmals auch ein spezielles Publikum angesprochen, das sich für düstere Filme oder harte Rockmusik interessiert. Inwiefern hat man beim Komponieren das Publikum im Kopf, das sich den Film anschauen wird?
Natürlich hat man immer einen Betrachter im Kopf, wenn man einen Film macht. Ob beim Drehbuch, beim Schnitt, bei den Schauspielern oder beim Konzept – man stellt sich immer auch einen Rezipienten vor. Man überlegt sich, wie der Film wirkt, was rüberkommt und was nicht. In dieser Hinsicht ist der Zuschauer natürlich wichtig. Aber ob jetzt eine bestimmte Zielgruppe auf ihre Rechnung kommt, spielt weder bei der Entstehung des Films noch beim Komponieren der Filmmusik eine Rolle.
Hast du HR Giger gekannt?
Ich kannte ihn nicht persönlich. Wie wahrscheinlich die meisten Leute kannte ich seine Bilder oder besser: seine exponiertesten und vielleicht auch offensichtlichsten Bilder. Während der Auseinandersetzung mit seiner Person bei der Entstehung des Films habe ich gelernt, dass er neben seiner Kunst ganz viele andere Sachen gemacht hat. Es war eine Absicht der Regisseurin, den Menschen HR Giger zu zeigen, dass er ein faszinierender Mensch war, der ein reiches Leben hatte. Es ging ihr auch darum, gewisse Vorurteile zu neutralisieren und neue Seiten von Giger zu zeigen.
Gab es seitens HR Giger Anforderungen an den Film oder die Filmmusik, oder hat er dir und der Regisseurin freie Hand gelassen?
Er war leider schon gestorben, als ich mit dem Komponieren der Filmmusik begann. Aber ich weiss von der Regisseurin, dass er eine positive Einstellung zum Film hatte.
Neben der Filmmusik komponierst und spielst du auch minimalistische elektronische Musik. Du kennst also verschiedene Facetten des Musikschaffens. Wie empfindest du den Wandel im Musikbusiness, der in den letzten Jahren vor allem bei den Tonträgern stattgefunden hat? Tangiert dieser Wandel einen Filmmusikkomponisten überhaupt?
Es gibt verschiedene Szenen und Realitäten. Zum Beispiel gibt es viele Bands, die vor allem von ihren Konzerten leben. Vom Rückgang im Tonträgermarkt ist man im Filmmusiksektor nicht so direkt betroffen. Tonträger sind nur ein sehr kleiner Teil von dem, was ich mache.
Welche Projekte stehen bei dir als nächstes an?
Ich freue mich darauf, mit Markus Imhof ein Projekt zu realisieren. Er dreht derzeit einen neuen Film zum Thema Migration, ein sehr aktuelles Thema, das mich auch sehr interessiert. Er ist ein grossartiger Regisseur. Zudem schreibe ich die Musik zu einem Dokumentarfilm von Heidi Specogna über ein politisches Thema, das die Republik Zentralafrika betrifft. Über weitere anstehende Projekte darf ich noch keine Angaben machen.
Viel Erfolg und herzlichen Dank für das Gespräch.
Peter Scherer ist Komponist, Pianist und Gitarrist. Er wurde 1953 in Zürich geboren. Sein Klavierdiplom machte er 1977 am Konservatorium Basel und studierte im Anschluss Theorie und Komposition an der Hamburger Hochschule für Musik und darstellende Kunst. 1980 zog er nach New York, wo er sich insbesondere mit elektronischer Musik beschäftigte und das Noise-Pop-Duo Ambitious Lovers gründete. Als Studiomusiker, Produzent oder Arrangeur arbeitete Peter Scherer mit Künstlern zusammen wie Laurie Anderson, Arto Lindsay, Caetano Veloso, John Zorn und Bill Frisell. Ab Ende der Achtzigerjahre schrieb er regelmässig Musik für Tanz- und Multimediaprojekte. Seit 2010 lebt Peter Scherer wieder in seiner Heimatstadt Zürich und konzentriert sich heute vor allem auf die Filmmusik. Für seine Kompositionen zum Spielfilm «Marmorera» (Regie: Markus Fischer) erhielt er 2007 erstmals den Filmmusikpreis der FONDATION SUISA. Zu seinen bekanntesten Arbeiten zählt die Musik zu Markus Imhofs «More Than Honey», für den Peter Scherer 2013 den Schweizer Filmpreis für die beste Musik erhielt. (Text: FONDATION SUISA) |
Der Filmmusikpreis der FONDATION SUISA ist mit CHF 25 000.- dotiert. Er honoriert ausserordentliche Leistungen im Bereich der Filmmusikkomposition und hat zum Ziel, die Preisträgerinnen und Preisträger zu unterstützen sowie im In- und Ausland bekannt zu machen. Der Preis wird jährlich anlässlich des Festival del film in Locarno alternierend in den Kategorien Spielfilm und Dokumentarfilm vergeben.
Die Jury des Filmmusikpreises 2015: |
Beitrag zu Peter Scherer und seiner Filmmusik für «Dark Star – HR Gigers Welt» auf art-tv