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Wie die Hymne für das Eidgenössische Volksmusikfest 2015 in Aarau entstand

Wie die Hymne für das Eidgenössische Volksmusikfest 2015 in Aarau entstand
Hanspeter Zehnder hat im Soussol seines Wohnhauses ein Musikzimmer eingerichtet. Dort kann der zweifache Familienvater komponieren und musizieren, «sobald die Kinder im Bett sind».
Foto: Manu Leuenberger
Text/Interview: Manu Leuenberger
Das Eidgenössische Volksmusikfest 2015 in Aarau hat eine eigene Hymne bekommen: den Schottisch «Z’Aarau esch de Adler los». Der Kompositionsauftrag für das neue Werk wurde vom Fest-Organisationskomitee an Hanspeter Zehnder vergeben. Bei einem Treffen an seinem Wohnort in Sins (AG) erzählte der Komponist über die Entstehung der Festhymne und seine musikalische Tätigkeit.

Hanspeter, wie hast du dich gefühlt, als du Mitte Mai von der Vergabe des Kompositionsauftrags erfahren hast?
Ich habe mich gefreut und geehrt gefühlt, dass das Organisationskomitee mich ausgewählt hatte. Ich bin hier im Aargau zuhause – da macht es mich natürlich auch stolz, dass ich die Hymne für den grossen Festanlass in der Kantonshauptstadt komponieren darf.

Welche Anforderungen wurden an das Stück gestellt?
Vom Organisationskomitee sind nur zwei Auflagen gemacht worden. Diese waren aber nicht einfach umzusetzen: Die Festhymne sollte für möglichst alle spielbar sein, egal ob beispielsweise auf dem Klavier, der Trompete, Klarinette oder von einer Schwyzerörgeli-Formation. Zweitens sollte die Komposition eingängig und rasch verständlich sein, damit man sie mitpfeifen oder mitsummen kann, und nach Möglichkeit einen Wiedererkennungswert haben.

Die Aufgabe war also, eine Ohrwurm-Melodie für jedermann zu schaffen. Wie bist du dabei vorgegangen?
Bei dieser besonderen Komposition hat die Ideenfindung einige Zeit in Anspruch genommen. Lange habe ich auf den Autofahrten zur Arbeit Melodien gesummt, die gefälligsten davon aufgenommen, und mir beim Wiederanhören am Abend gesagt: «Das isch fertige Seich, unbruchbar!» Tolle Melodien kann man nicht erzwingen und kommen einem leider nicht jeden Tag in den Sinn. Jedenfalls ist das bei mir so. Die besten Einfälle habe ich meistens, wenn ich in meinem Musikzimmer Klarinette übe, sobald die Kinder im Bett sind. Die Melodie schreibe ich dann auf und lasse sie für eine Weile liegen. Wenn sie mir ein paar Tage später immer noch gefällt, arbeite ich an der Idee weiter, indem ich die Melodie ausbaue, variiere oder weitere Teile ergänze. Nach der Melodie erfolgt das Arrangement der Stimmen der anderen Instrumente. Für Akkorde, Harmonien und Arrangement benutze ich beim Komponieren gerne das Klavier.

Die Festhymne soll von möglichst allen Interpreten in den verschiedensten Besetzungen gespielt werden können. Wie gestaltet man in so einem Fall die Partitur?
Bei einem Volksmusikstück gibt es vorweg einen ganz wichtigen Punkt: Es muss auf dem Schwyzerörgeli spielbar sein. Das Schwyzerörgeli gestattet nur ein eingeschränktes harmonisches Spektrum, auch von den Tonarten her. Wenn eine Komposition mit dem Schwyzerörgeli gespielt werden kann, dann ist sie mit den meisten anderen Instrumenten ebenfalls spielbar. Die Notation eines Stücks erfolgt in der Ländlermusik meistens nach folgendem Schema: Man schreibt die erste Stimme, die Melodiestimme, auf. Dazu werden die Harmonien für die Begleitung inklusive Bass notiert. Manchmal wird zusätzlich noch eine zweite Stimme in Noten festgehalten. Häufig wird die zweite Stimme aber individuell von den aufführenden Musikern ergänzt. Die Partituren bestehen in der Regel aus einer bis vielleicht zwei Seiten. Das wird bei der Hymne nicht anders sein.

Wieviel Zeit wird es in Anspruch nehmen, bis die Komposition vom Auftrag bis zur Aufführung gelangt ist?
Uff, eine schwierige Frage! Angefangen bei der Ideenfindung bis zum Proben mit meiner Formation geschieht vieles bei der Entstehung der Komposition nicht am Stück sondern kontinuierlich. Konkreter kann ich sagen, dass ich zusammengerechnet vielleicht etwa zwei Tage für die Ausarbeitung des Arrangements inklusive Erstellung der Partitur gebraucht habe. Das war aber erst möglich, nachdem ich die Hauptmelodie erarbeitet und klar definiert hatte. Vor der Uraufführung wird das Stück von uns vier Mitgliedern der Ländler-Wurlitzer einzeln sowie gemeinsam geprobt und auch noch für eine CD aufgenommen. Danach folgen die Uraufführung und der Auftritt am 13. September beim Festakt des Eidgenössichen Volksmusikfests selber … Der genaue zeitliche Aufwand ist schwierig einzuschätzen.

Du betreibst deine musikalische Tätigkeit neben einem Hauptberuf, bei dem du zu einem 100 % Pensum angestellt bist. Wie kann man als Volksmusiker vom Musikberuf leben?
In der Schweiz nur vom Einkommen als Ländlermusik-Komponist und -Interpret seinen Lebenunterhalt bestreiten? – Ich sage: Das geht nicht, keine Chance. Selbst etablierte Grössen leben nicht von Ländlermusik allein. Auch die Gagen für Auftritte sind in Ländlerkreisen äusserst bescheiden; nicht selten spielt man bei der Stubete für Bier und Cordon bleu als Entgelt. Kommt hinzu, dass in den letzten Jahren einige Ländlermusiklokale, wo grössere oder renommiertere Kapellen auftreten konnten, ihren Konzertbetrieb stark reduziert oder gar eingestellt haben.

Apropos Vergütungen für Musik: Du bist seit 1997 Mitglied bei der SUISA. Weshalb hast du dich bei der Genossenschaft der Urheber und Verleger von Musik angemeldet?
Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich in den Jahren 1996 und 1997 meine ersten eigenen Stücke komponiert. Ich glaube, ältere Kollegen haben mich in der Folge darauf aufmerksam gemacht, dass ich mich bei der SUISA anmelden und dort meine Stücke angeben soll. Ich finde, die SUISA ist für Urheber eine wichtige Organisation. Als Komponist erhalte ich durch die SUISA eine Vergütung, wenn meine Stücke aufgeführt werden. Meine aktuelle Formation Ländler-Wurlitzer spielt an rund 40 bis 50 Konzerten jährlich meistens ein Stammrepertoire. Die Auftritte melde ich regelmässig. Und wer weiss, vielleicht reicht es ja, dass ich in fortgeschrittenem Alter von der SUISA sogar ein paar Franken Rentengeld ausbezahlt kriege.

Neben den vielen Konzerten haben die Ländler-Wurlitzer 2008 und 2011 auch zwei CDs aufgenommen. Wann erscheint die nächste Veröffentlichung?
Wir haben bereits neue Aufnahmen eingespielt. Ursprünglich hätten wir die CD diesen Sommer herausbringen wollen. Wegen dem Kompositionsauftrag haben wir den Plan geändert: Natürlich wollten wir, dass die Festhymne auch auf der neuen CD enthalten ist. Deshalb werden wir zuerst noch die Festkomposition aufnehmen, damit wir sie als zusätzlichen Titel auf der Neuveröffentlichung integrieren können. Erscheinen wird die CD mit voraussichtlich sieben Stücken rund um das Eidgenössische Volksmusikfest im September.

Welche Hoffnungen und Erwartungen hat ein Komponist für sein Werk, das die Hymne eines grossen Musikfestes wird?
Im besten Fall kommt das Stück bei Zuhörern wie Musikern gut an und wird sowohl am Fest als auch später häufig aufgeführt. Den schlechtesten Fall mag ich mir gar nicht ausmalen. Es lastet aufgrund der besonderen Umstände ein gewisser Druck auf der Komposition, das ist klar. Ich kenne jedoch meine musikalischen Fähigkeiten und weiss, dass ich gefällige Melodien schreiben kann. Mit dieser Überzeugung im Kopf und im Herzen habe ich ein gutes Gefühl für die Festhymne.

Porträt Hanspeter Zehnder mit Klarinette
Neben dem Hauptinstrument Klarinette spielt der 37-jährige Hanspeter Zehnder auch Saxofon, Kontrabass, Klavier und Schlagzeug. (Foto: Manu Leuenberger)
Der am 27. Mai 1978 geborene Hanspeter Zehnder unternahm seine ersten musikalischen Schritte in der Musikgesellschaft Bennau. Später musizierte er unter anderem in der Swiss Army Concert Band unter Christoph Walter. Als Klarinettist ist er auf Dutzenden Ländlermusik-CDs zu hören. Neben dem Hauptinstrument spielt er auch Saxofon, Kontrabass, Klavier und Schlagzeug. Noch vor seinem 20. Geburtstag entstanden seine ersten eigenen Kompositionen. Seit 2005 ist er mit seiner eigenen Formation Länder-Wurlitzer aktiv, in der er zusammen mit seiner Ehefrau Cornelia Zehnder spielt. Zusammen mit seiner Familie lebt Hanspeter Zehnder in Sins (AG).

Das 12. Eidgenössische Volksmusikfest findet vom 10. bis 13. September 2015 in Aarau statt. An den 4 Festtagen werden auf 15 Konzertplätzen, 3 Konzertbühnen und in 5 Wettlokalen rund 300 Formationen und insgesamt 1500 Musikantinnen und Musikanten aus der ganzen Schweiz Volksmusik zum Besten geben. Das Organisationskomitee erwartet über 100 000 Besucherinnen und Besucher am Festanlass.

Die von Hanspeter Zehnder komponierte Festhymne «Z’Aarau esch de Adler los» wurde am 27. August 2015 anlässlich einer Medienkonferenz uraufgeführt. Am Sonntag, 13. September 2015, wird das Stück anlässlich des Festbanketts in der Markthalle in Aarau von den Ländler-Wurlitzer nochmals aufgeführt. Zudem ist die Komposition am Freitag, 11.9.2015, in der Sendung «Zoogä-n-am Boogä» auf Radio SRF Musikwelle und am Samstag, 12.9.2015, im Fernsehen auf SRF 1 in der Sendung «Potzmusig» zu hören.

Der Kompositionsauftrag für die Hymne für das 12. Eidgenössische Volksmusikfest in Aarau wurde unterstützt von der FONDATION SUISA, der Musikförderstiftung der SUISA.

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