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Wie die Privatkopie zu Geld wird – die Verteilung der Leerträgereinnahmen

Wie die Privatkopie zu Geld wird – die Verteilung der Leerträgereinnahmen
Die Konsumentinnen und Konsumenten beziehen Musik zunehmend aus dem Internet. Mit der Verlagerung zum digitalen Musikkonsum haben sich auch die Quellen für die privat kopierten Werke verschoben. Eine Änderung bei der Verteilung der Einnahmen aus der Leerträgervergütung war nötig.
Foto: Carlos Castilla / Shutterstock.com
Text von Anke Link
Heutzutage stammt ein Gutteil der Privatkopien aus dem Internet und nicht mehr von CD wie einst zur Blütezeit des Tonträgermarkts. Mit einer Änderung im Verteilungsreglement der SUISA wird den aktuellen Umständen Rechnung getragen. Durch die vorgenommenen Korrekturen werden die Vergütungen für die Privatkopie gerechter verteilt.

Das Schweizer Urheberrechtsgesetz (URG) erlaubt den Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten die Anfertigung von Kopien für sich selbst, enge Freunde und Verwandte, egal aus welcher Quelle die Vorlage stammt. Für solche Privatkopien ist seit 1992 im hiesigen Gesetz eine Vergütung vorgesehen. Erhoben wird diese Vergütung aber nicht bei denjenigen, die tatsächlich die Kopien machen – namentlich die privaten Konsumentinnen und Konsumenten –, sondern bei den Herstellern und Importeuren der dafür notwendigen Leerträger.

Anfangs waren dies noch leere Audiokassetten, die man in den Rekorder einlegte und dann gespannt vor dem Radio darauf wartete, dass der aktuelle Lieblingssong gespielt wurde, oder auf die man CDs überspielte, um die Musik mit dem Walkman unterwegs hören zu können. Auch VHS-Kassetten, auf die man Fernsehsendungen aufzeichnen konnte, gehörten zu den ersten von der Vergütung erfassten Leerträgern. Später folgten CD- und DVD-Rohlinge, auf die Kopien von Musik und Filmen gebrannt werden konnten.

Heute ist die Leerträgervergütung überwiegend für digitale Speicher relevant, die in Geräte wie Smartphones und Tablets eingebaut sind. Damit hat man vielseitige Möglichkeiten für die Speicherung von Musik, Filmen und anderen Werken. Die dafür fällige Vergütung gilt pauschal pro Leerträger, unabhängig davon, in welchem Umfang und für welche Werke er tatsächlich für Privatkopien verwendet wird. Die SUISA ist dafür zuständig, die Vergütung von den Herstellern und Importeuren der Geräte einzuziehen, und sorgt für die Verteilung an diejenigen, die den Grund für das Kopieren liefern: die Urheber und Interpreten von Musik, die Filmemacher, Schriftsteller et cetera.

Wie werden die Einnahmen aus der Leerträgervergütung verteilt?

Bei der Verteilung der Leerträgervergütungen gilt es zunächst, eine Aufteilung zwischen den fünf Schweizer Verwertungsgesellschaften ProLitteris, SSA, SUISA, Suissimage und Swissperform vorzunehmen, für die die SUISA die Vergütung gesamthaft erhebt. Grundlage für diese Aufteilung ist der Anteil des von der jeweiligen Gesellschaft vertretenen kopierten Repertoires. Diese Anteile werden im Rahmen von repräsentativen Studien erhoben. Die Studien geben aber keine Auskunft über konkrete Werke, sondern nur darüber, ob es sich um Musik, Filme oder Videos, Bilder oder Texte handelt.

Den Anteil, den die SUISA für die Privatkopien von musikalischen Werken erhält, verteilt sie an ihre Mitglieder über Zuweisungen in verschiedene Verteilungsklassen. Eine direkte Verteilung ist nicht möglich, weil nicht ermittelt werden kann, welche konkreten Werke in welcher Häufigkeit von den Hörerinnen und Hörern kopiert bzw. gespeichert oder aus dem Internet heruntergeladen werden. Neben dem unerwünschten Eingriff in die Privatsphäre der Konsumentinnen und Konsumenten wäre auch der Aufwand für eine solche Erhebung untragbar. Deshalb weist die SUISA die Einnahmen aus der Leerträgervergütung verschiedenen Verteilungsklassen zu, für die detaillierte Programminformationen vorliegen.

In der Vergangenheit stützten sich diese Zuweisungen auf Überlegungen über die Quellen der Privatkopie: Man ging beispielsweise davon aus, dass ein Teil der Privatkopien ab CDs gemacht wird, also wurde ein Teil der Leerträgereinnahmen den Verteilungsklassen für die CD-Herstellung zugewiesen. Oder man wies einen Teil dieser Einnahmen den Verteilungsklassen für die Erträge aus Radio- und Fernsehsendungen zu in der Annahme, dass ein weiterer Teil der Privatkopien vom Radio und Fernsehen aufgenommen wird.

Woher stammen die privat kopierten Werke heute?

In der heutigen Zeit stammt aber ein Gutteil der Privatkopien aus dem Internet. Also könnte man doch die Einnahmen aus der Leerträgervergütung einfach den Verteilungsklassen für Online-Nutzungen zuweisen? – So einfach ist es leider nicht.

Zum einen nimmt die SUISA nicht alle Rechte für im Internet genutzte Musik wahr. Im Internet hat die SUISA Konkurrenz durch ausländische Verwertungsgesellschaften und kann dort deshalb nicht das Weltrepertoire an Musik anbieten. In die Verteilungsklassen für die Online-Angebote fliesst also nur für einen Teil der im Internet genutzten Werke Geld. Es werden aber natürlich nicht nur diese Werke privat kopiert, sondern eben auch die übrigen Werke des Weltrepertoires. Bei einer Zuweisung der Einnahmen aus der Leerträgervergütung in die Verteilungsklassen für die Online-Angebote würde deshalb ein grosser Teil der privat kopierten Werke leer ausgehen.

Zum anderen dürfen keine Leerträgerentschädigungen verlangt werden für Werke, die aus einer legalen Quelle gegen Bezahlung stammen (Verbot der «Doppelzahlung» in Art. 19 Abs. 3bis URG). Das betrifft Musik aus Downloadshops wie z. B. iTunes oder auf Streamingplattformen wie z. B. Spotify. Die Einnahmen, die die SUISA von diesen Plattformen erhält, verteilt sie in den entsprechenden Online-Verteilungsklassen nach den Programminformationen dieser Plattformen. Nach den gesetzlichen Bestimmungen darf aber für solche Downloads und auch für Offline-Speicherungen von Streamingdiensten keine Leerträgervergütung kassiert werden. Deshalb wäre es auch nicht gerechtfertigt, wenn auf die entsprechenden Werke über Zuweisungen Geld aus den Leerträgereinnahmen verteilt würde.

Nun werden aber heruntergeladene Songs oft weiterkopiert: Was ist denn damit? – Es stimmt, im Gegensatz zum ursprünglichen Download oder Offline-Speicherungen von Streamingdiensten werden diese Folgekopien von der Leerträgervergütung erfasst. Aber niemand weiss, um welche konkreten Werke es sich handelt und wie oft sie noch kopiert wurden. Es muss also für diese wie auch für alle anderen privatkopierten Werke ein Weg für eine indirekte Verteilung der Einnahmen aus der pauschalen Leerträgervergütung gefunden werden.

Wie werden die neuen Verhältnisse im Verteilungsreglement berücksichtigt?

Da nun unter den aktuellen Umständen eine Zuweisung auf Basis der Quellen für die Privatkopien zu falschen Ergebnissen führte, wurde mit Hilfe des Marktforschungsunternehmens Gfs-Zürich nach alternativen Methoden gesucht, um die Leerträgereinnahmen möglichst gerecht verteilen zu können. Gfs-Zürich führte zu diesem Zweck eine repräsentative Studie durch. Dabei wurden Konsumenten gefragt, wo ihnen das zuletzt von ihnen privat kopierte Werk – ganz unabhängig davon, von welcher Quelle die Kopie stammte – noch «begegnet» ist: bei einem Konzert, im Kino, im Radio, im Fernsehen, auf einer neuen CD/LP oder DVD? Für diese «Vertriebskanäle» von Musik hat die SUISA in ausreichendem Umfang Informationen zu den dort genutzten Werken, die sie nun als Grundlage für die Verteilung der Einnahmen aus der Leerträgervergütung verwenden kann.

Neu werden die Einnahmen aus den Leerträgertarifen deshalb den Verteilungsklassen zugewiesen, die für Nutzungen in diesen anderen Vertriebskanälen verwendet werden. Dies entspricht dem in Ziffer 5.3.2 des Verteilungsreglements (VR) festgehaltenen Prinzip, das lautet: «Die Entschädigungen ohne Programm-Unterlagen sind jenen Verteilungsklassen zuzuweisen, in denen die gleiche oder eine möglichst ähnliche Musik vorherrscht.» In einigen Fällen konnten kein alternative Vertriebskanäle ermittelt werden. Dieser Anteil an den Leerträgereinnahmen wird daher den Verteilungsklassen für die Radiosender zugewiesen, weil diese das breiteste Repertoire aufweisen und damit die meisten Rechteinhaber profitieren können.

Ziffer 5.5.5 lautet somit neu:

Ziffer 5.5.5 GT 4 (Leerträger), 4i (integrierte digitale Speichermedien) – Leerträgervergütungen
Verteilungsklassen
Audio 33,0% 1A
28,0% 2A
(für die Inland-Lizenzierung) 11,5% 21A
(für die Zentrale Lizenzierung) 11,5% 21Z
16,0% 4
Video 16,0% 1C
12,0% 22A
14,0% 2C
8,0% 9A
17,0% 1A
17,0% 2A
Die verbleibenden 16% werden den Fernsehentschädigungen für ausländische Sender aus dem Tarif GT 1 zugeschlagen.
Bei Mobiltelefonen und Tablets des GT 4i sind die Einnahmen zu 90% auf Audio und zu 10% auf Video zu verteilen. Bei den weiteren Leerträgern des GT 4 und GT 4i ergibt sich der entsprechende Verteilschlüssel bereits aus der Art des Leerträgers.

Das Institut für Geistiges Eigentum hat diese Änderung am 6. April 2021 genehmigt und auch die Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde im Fürstentum Liechtenstein erwarten wir in den nächsten Wochen. Die Änderung tritt drei Monate nach der Genehmigung in Kraft und kann somit für die nächste Verteilung der Leerträgereinahmen im September 2021 angewendet werden.

Wer profitiert und wer hat künftig weniger Geld aus der Privatkopie?

Im Ganzen hat die Revision der Zuweisungen aus den Leerträgereinnahmen positive Auswirkungen: Es gibt fast dreimal so viele Urheber und Verleger, die mehr Geld bekommen, als solche, die weniger von der Revision profitieren. Allerdings werden sich die positiven Auswirkungen für die Mehrheit der Mitglieder in kleinen Beträgen zeigen. Diejenigen, die einen Rückgang ihrer Einnahmen aus der Leerträgerverteilung hinnehmen müssen, werden dies deutlicher spüren.

Trotzdem sind wir überzeugt, dass die Revision notwendig war und gerecht ist. Denn die Rückgänge resultieren überwiegend aus der Streichung der Zuweisungen in die Online-Verteilungsklassen und einer Verringerung der Zuweisungen in die Verteilungsklasse 21Z, welche die zentrale Lizenzierung von CD-Produktionen betrifft. Warum eine Zuweisung in die Online-Verteilungsklassen heute falsch ist, haben wir bereits oben erklärt.

Dass auch die Zuweisung in die Verteilungsklasse 21Z für die Zentrale Lizenzierung in der bisherigen Höhe von 33% nicht mehr gerechtfertigt ist, wird nachfolgend deutlich: Diese Entscheidung stammte aus einer Zeit, als der Tonträgermarkt in voller Blüte stand und die SUISA jährlich etwa 25 Mio. Franken für CD-Produktionen eingenommen hat. Für 2019 betrug der zu verteilende Betrag aus der Zentralen Lizenzierung jedoch nur noch rund 1 Mio. Franken, während 2,3 Mio. Franken aus den Leerträgereinnahmen in die Verteilungsklasse 21Z zugewiesen wurden. Ein Rechteinhaber, der Fr. 1.– aus dem Vertrieb seiner Werke auf CD erhält, bekam also bis anhin Fr. 2.17 aus der Leerträgervergütung!

Durch den Verfall des Tonträgermarktes haben die Zuweisungen eine überdurchschnittliche Bedeutung erhalten gegenüber dem, was ursprünglich vorgesehen war. So wurde eine kleine Anzahl Rechteinhaber auf Kosten der Mehrheit bevorzugt. Die jetzt vorgenommenen Korrekturen sind für alle gerechter, und wir setzen darauf, dass auch diejenigen, die zukünftig weniger Geld aus den Leerträgereinnahmen erhalten, dafür Verständnis haben.

Weitere Informationen:
Verteilungsreglement der SUISA

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