Die subventionierten Radio- und TV-Sender in der Schweiz und in Liechtenstein räumen der Musik von Mitgliedern der SUISA tendenziell mehr Sendeplatz ein als privat finanzierte Stationen. Zudem spielen die meisten vom Bund unterstützten Sender viel mehr unterschiedliche Musiktitel als die auf Werbeeinnahmen fokussierten Pendants. Im Interesse des hiesigen Musikschaffens und der kulturellen Vielfalt ist eine Abschaffung der solidarischen Abgaben für Service-public-Medien deshalb abzulehnen. Text von Andreas Wegelin und Manu Leuenberger

Der Verein Musikschaffende Schweiz vergab 2017 erstmals einen «SwissMusicOnAir-Award». Ausgezeichnet wurde das konzessionierte Privatradio mit dem höchsten Anteil an Schweizer (Pop-)Musik im Programm: der subventionierte Berner Lokalsender Radio BeO. (Bild: Radio BeO)
Die subventionierten Schweizer Radiosender spielen im Durchschnitt einen höheren Anteil an Musik von Mitgliedern der SUISA als private Sendestationen ohne Finanzierung aus der öffentlichen Hand. Bei den vom Bund unterstützten Sendern ist zudem die Anzahl an unterschiedlichen Musiktiteln im Programm zumeist deutlich höher als bei hauptsächlich werbefinanzierten Pendants.
Eine (Mit-)Finanzierung durch den Bund trägt also dazu bei, dass schweizerisches Musikschaffen und Vielfalt in den Sendeprogrammen stattfindet. Dass diese Schlussfolgerung nicht aus der Luft gegriffen ist, geht aus Daten von Nutzungsmeldungen hervor, die den Verwertungsgesellschaften SUISA und Swissperform vorliegen.
Damit ein Unternehmen in der Schweiz und in Liechtenstein Radio- und/oder Fernsehprogramme senden oder in Kabelnetze einspeisen kann, ist ein Lizenzvertrag mit der SUISA nötig. Im Rahmen dieses Vertrags sind die Sender dazu angehalten, der SUISA genaue Angaben zum gesendeten Programm zu liefern.
Sendeanteile für Musik von Mitgliedern der SUISA
In den Angaben zur gesendeten Musik müssen unter anderem die Titel der Musikwerke, Namen der Komponisten und der Interpreten sowie die Sendedauer enthalten sein. Die detaillierten Informationen ermöglichen eine korrekte Verteilung der eingenommenen Vergütungen: Die Einnahmen werden an jene Urheber und Verleger ausbezahlt, deren Werke gemäss den Sendemeldungen in den Programmen gespielt wurden.
Daneben ergibt die Summe der Sendemeldungen einen Überblick über das gesamte Musikprogramm eines Senders. Insbesondere kann die SUISA den Anteil an gespielter Musik von den eigenen Mitgliedern fundiert auswerten. Sobald mindestens einer der Urheber ein SUISA-Mitglied ist, gilt in der Auswertung ein Musikstück als SUISA-Werk. Ein Musiktitel, dessen Komponisten und Textautoren ausschliesslich Nicht-SUISA-Mitglieder sind, zählt bei dieser Anteilsberechnung unabhängig von den Interpreten zum restlichen Repertoire.

Zahlen gerundet, Quelle: SUISA. (Diagrammdesign: Crafft)
Der Blick auf die berechneten Sendeanteile aus dem Jahr 2016 lässt eine eindeutige Tendenz erkennen: Subventionierte Radios räumen der Musik von Mitgliedern der SUISA mehr Platz ein als privat finanzierte Stationen. Dabei ist zu beachten: Nicht nur in den Programmen der SRG wird vermehrt SUISA-Repertoire gespielt, sondern auch bei Lokalsendern wie Radio BeO, Kanal K oder Radio Stadtfilter. Letztere erhalten ebenfalls Anteile der Radio- und TV-Abgaben. Der damit verbundene Programmauftrag zeigt hier seine Wirkung.
Im Detail sind die Programmaufträge für den nationalen (SRG) und den regionalen (Lokalsender) Service public unterschiedlich. Beiden übergeordnet ist jedoch im Artikel 93 der Bundesverfassung der Grundsatz: «Radio und Fernsehen tragen zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung bei. Sie berücksichtigen die Besonderheiten des Landes und die Bedürfnisse der Kantone. Sie stellen die Ereignisse sachgerecht dar und bringen die Vielfalt der Ansichten angemessen zum Ausdruck.»
Vielfalt im Musikprogramm der Schweizer Radiosender
Der Kulturauftrag der SRG umfasst die Kulturberichterstattung ebenso wie die Bildung im kulturellen Bereich und die Kulturförderung. Im Rahmen dieses Leistungsauftrags vereinbarte die SRG mit Verbänden und Institutionen der Musikbranche in der Charta der Schweizer Musik Richtwerte zur Förderung des Schweizer Musikschaffens in den Radio-Programmen. Den positiven Einfluss des Service-public-Auftrags auf die Programmvielfalt belegt eine Analyse von Radiosendungen aus dem Jahr 2015, basierend auf einer Auswertung von Swissperform:
Anteil Schweizer Musik und Programmvielfalt in Schweizer Radiosendern (Auswertung 2015) |
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Sender SRG |
Anteil CH-Musik am gesamten Musikprogramm (in %) |
Anzahl unterschiedliche Musiktitel |
Sender privat |
Anteil CH-Musik am gesamten Musikprogramm (in %) |
Anzahl unterschiedliche Musiktitel |
SRF MW |
40,31 |
28’978 |
Radio 24 |
12,16 |
2’320 |
Swiss Classic |
37,38 |
4’007 |
Argovia |
10,25 |
2’669 |
Swiss Jazz |
21,07 |
10’645 |
Sunshine |
11,75 |
1’746 |
Virus |
57,60 |
8’206 |
Central |
16,32 |
6’885 |
Swiss Pop |
36,78 |
4’929 |
Zürisee |
10,45 |
4’319 |
SRF 3 |
21,25 |
13’702 |
Pilatus |
11,32 |
2’389 |
SRF 2 |
8,22 |
16’826 |
Energy Zürich |
|
1’670 |
SRF 1 |
16,95 |
12’189 |
|
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Rete Uno |
7,45 |
8’600 |
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Rete Due |
8,99 |
18’335 |
|
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Rete Tre |
14,73 |
14’209 |
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RTR |
37,23 |
18’176 |
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RTS 1 |
6,25 |
12’728 |
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RTS 2 |
14,28 |
27’075 |
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RTS 3 |
20,89 |
19’220 |
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Option Musique |
12,81 |
6’881 |
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Total |
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224’706 |
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41’753 |
Durchschnitt |
22,64 |
14’044 |
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12,04 |
3’143 |
Quelle: Swissperform |
Gemäss dieser Erhebung waren 2015 auf den Sendern der SRG bei annähernd jedem vierten gespielten Musiktitel Schweizer Musikschaffende beteiligt (Anteil CH-Musik: 23 %). Der durchschnittliche Anteil an gesendeter Schweizer Musik bei werbefinanzierten Privatsendern betrug lediglich 12 Prozent.
Der Vergleich der Anzahl unterschiedlicher Musiktitel verdeutlicht einen weiteren wesentlichen Unterschied in den ausgewerteten Programmen: Das Publikum der SRG-Sender bekam über das ganze Jahr hinweg durchschnittlich 14’044 verschiedene Aufnahmen zu hören. In den Programmen der privaten Radiostationen liefen während zwölf Monaten durchschnittlich 3143 Aufnahmen, also deutlich weniger unterschiedliche Musiktitel. Überspitzt gesagt: Auf diesen Privatsendern rotierten 9 verschiedene Songs pro Tag.
Im Interesse der Schweizer Musik NEIN zu No Billag
Die unter dem trügerischen Namen «No Billag» vermarktete Volksinitiative bezweckt eine gänzliche Abschaffung der Radio- und Fernsehabgaben. Im Visier der Initianten steht nicht das Inkassounternehmen Billag. Vielmehr soll in der Bundesverfassung festgesetzt werden, dass der Bund keine Radio- und Fernsehstationen subventioniert. Gleichzeitig würde bei einer Annahme der Initiative der zuvor erwähnte Grundsatz, wonach Radio und Fernsehen zur kulturellen Entfaltung beizutragen und die Besonderheiten des Landes zu berücksichtigen haben, ersatzlos aus der Bundesverfassung gestrichen.
In einer rein kommerziell orientierten Radio- und Fernsehlandschaft fokussieren sich die Sendeunternehmen zwangsläufig auf ihre Werbeeinnahmen. Die gegenwärtigen Fakten über die Sendeanteile von Schweizer Musik und die Anzahl verschiedener Musiktitel vermitteln einen Eindruck, welche Auswirkung diese wirtschaftliche Ausrichtung auf die Programminhalte hat. Im Interesse des hiesigen Musikschaffens und der kulturellen Vielfalt ist eine Abschaffung der solidarischen Abgaben für Service-public-Medien deshalb entschieden abzulehnen.
Weitere Informationen:
Vollständige Auswertungen der Sendeanteile von SUISA-Werken sowohl in Radiosendungen der SRG als auch in Sendungen von Privatradios aus dem Jahr 2016 sind veröffentlicht unter: www.suisa.ch/hitparaden
NEIN zu No Billag – Kampagnen gegen die Volksinitiative
Unter den Schweizer Kulturschaffenden läuft derzeit eine Unterschriftensammlung für einen Aufruf, mit dem sie sich gemeinsam gegen die No-Billag-Initiative positionieren und sich für eine kulturell vielfältige Schweiz einsetzen. Der Aufruf wird koordiniert von der Schweizerischen Interpretengenossenschaft SIG und der Swissperform und unterstützt von zahlreichen Vertretern aus der Kulturbranche wie SUISA, Musikschaffende, Musikrat und vielen mehr. Im Januar 2018 wollen die Kulturschaffenden mit ihrem gemeinsamen Aufruf an die Öffentlichkeit treten.
Nicht nur aus kulturellen Kreisen hat sich gegen die Initiative Widerstand gebildet. Es gibt Kampagnen von verschiedenen Komitees und Institutionen, die sich für ein NEIN zu No Billag am 4. März 2018 engagieren:
Nein zu No Billag, Initiative der Unikom-Radios und anderen
Nonobillag.ch, Interessensgemeinschaft «NEIN zu No-Billag»
Sendeschluss? Nein!, Verein «Nein zum Sendeschluss»
Nein zum Anschlag auf unsere Demokratie, Operation Libero
NON à No Billag, Association contre la disparition des radios et TV
Medien für alle – Médias pour tous – Media per tutti, Verein Medien für alle – médias pour tous – media per tutti
Amici della RSI, Associazione Amici della RSI
Salviamo la RSI, Pagina indipendente per la difesa del pluralismo svizzero dei media
No Billag No Svizzera, Comitato No Billag No Svizzera |
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Die No-Billag-Initiative gefährdet das Schweizer Kulturschaffen! – Die Initiative bezweckt den gänzlichen Abbau der öffentlich-rechtlichen Finanzierung der elektronischen Medien Radio und Fernsehen. Im Juni 2015 haben die Schweizer Stimmbürger dem Wechsel von einer nutzungsabhängigen Radio/TV-Empfangsgebühr auf eine Haushaltsgebühr zugestimmt. Die Haushaltsgebühr soll per 1.1.2019 eingeführt werden. Das Inkasso für diese Haushaltsgebühr wird durch die Firma Serafe durchgeführt werden. Die Billag wird auf den 31.12.2018 deshalb geschlossen. Der Titel «No Billag» bei der Initiative ist doppelt irreführend. Es geht hier weder um die Firma Billag noch um die Firma Serafe, die beide lediglich Inkassofirmen sind. Das wahre Ziel der Initianten ist, dass der Staat kein Geld mehr an elektronische Medien zahlt. Was einen massiven Programmabbau zur Folge hätte, der besonders auch dem Schweizer Musikschaffen grossen Schaden zufügen würde. Weiterlesen |
Auf den Spartensendern der SRG lebt die Schweizer Musik – Sechs Spartensender der SRG sollen abgeschafft werden. Dies verlangt eine Motion der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats. Für die Schweizer Musikschaffenden hätte dies verheerende Folgen. Gerade von diesen Sendern wird hiesige Musik viel gespielt und gefördert. Weiterlesen |
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