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«Jedem von uns fällt mal ein Stück oder eine Melodie ein»

«Jedem von uns fällt mal ein Stück oder eine Melodie ein»
Ils Fränzlis da Tschlin: «Wir sind Botschafter jener Stücke, die auf ihrer Reise durch die Tanzsäle Europas im Engadin hängengeblieben sind».
Foto: Flurin Bertschinger
Text/Interview von Sibylle Roth
Eine von drei Nominierten beim Prix Walo 2018 in der Sparte Volksmusik ist die Formation Ils Fränzlis da Tschlin. In der Besetzung mit Domenic und Curdin Janett und deren Töchter Anna Staschia, Cristina und Madlaina musizieren sie angelehnt an die «Ur-Fränzlimusig» aus dem 19. Jahrhundert seit 2014 zusammen. Die SUISA übergibt am 44. Prix Walo den Preis in der Sparte Volksmusik und hat Madlaina Janett, der Bratschistin der Formation, schriftlich Fragen über ihre Musik, das Komponieren und die Nomination gestellt.

Die Ur-Fränzlis aus dem 19. Jahrhundert hat Franz-Josef Waser, der aufgrund seiner kleinen Statur «Fränzli» genannt wurde, ins Leben gerufen. Sie spielten Tanzmusik und man erzählte sich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein von den legendären Fränzlis. Die neuen Fränzlis wurden 1982 von Men Steiner und Domenic Janett gegründet. Seit 2012 spielen sie in der Besetzung mit Klarinette, Geige, Cello, Bratsche und Kontrabass. Nach den letzten Besetzungwechseln – hinzu kamen Cristina am Cello und Anna Staschia an der Violine – sind die Frauen gegenüber den Männern in der Formation in der Überzahl.

Madlaina Janett, Ils Fränzlis da Tschlin sind seit Jahrzehnten Botschafter für Engadiner Tanzmusik. Wie ist bei Ihnen das Verhältnis zwischen traditionellen Werken und Eigenkompositionen?
Madlaina Janett, Ils Fränzlis da Tschlin: Wenn wir ein konzertantes Programm zusammenstellen, schauen wir, dass wir ungefähr zu gleichen Teilen Neukompositionen – von uns selbst und von anderen Komponisten – und überlieferte Tänzen einbauen. Dabei verfolgen wir nicht das Ziel, die Tradition zu renovieren oder zu erneuern. Wir wollen einfach eine schöne Dramaturgie im Konzert haben, die viel Abwechslung bietet und bei der wir die Zuhörer zwischendurch auch mit ungewohnteren Tönen überraschen können. Wenn wir zum Tanz spielen – was leider nur noch sehr selten vorkommt – überwiegen die traditionellen Stücke, da diese meist tanzbarer sind als die Neukompositionen, welche oft extra für die Konzertsituation geschrieben werden und wurden.
An dieser Stelle möchten wir aber noch ganz kurz einen Kommentar zum Stichwort «Botschafter der Engadiner Tanzmusik» loswerden: Wir selber würden uns nicht als solche bezeichnen. Einerseits, weil wir wie oben erwähnt nur ganz selten zum Tanz spielen und zweitens, weil es fast nicht möglich ist, zu sagen, was denn genau «Engadiner Musik» sein soll. Unsere Vorbilder, die Ur-Fränzlis des 19. Jahrhunderts, waren ja gar keine Engadiner – sie stammten aus der Innerschweiz – und haben alles Mögliche gespielt: vom Gassenhauer, über die Operettenmelodie bis zum überlieferten Walzer. Und wenn man den sogenannten «überlieferten» Stücken etwas nachforscht, kommt oft heraus, dass sie eine lange Odyssee durch die Tanzsäle des ganzen Alpenraums hinter sich haben und dass es absolut unmöglich ist, zu sagen, ob ein Stück im Engadin oder doch eher im Burgenland oder in Italien entstanden ist. Wir sind also – wenn schon – Botschafter jener Stücke, die auf ihrer Reise durch die Tanzsäle Europas im Engadin hängengeblieben sind und im Stil der lokalen Musikanten weiterentwickelt wurden.

Wie gehen Sie beim Komponieren von neuen Stücken vor? Ihre Werke wurden ja oft von jemandem alleine komponiert; haben Sie da verschiedene Vorgehensweisen?
Die Vorgehensweisen der einzelnen Fränzlimitglieder sind recht unterschiedlich: Curdin und Domenic komponieren und arrangieren viel im Auftrag und für die verschiedensten Besetzungen. Die jüngere Generation komponiert eher spontan: Wenn einem etwas in den Sinn kommt, wird es notiert. Für die Programme der Fränzlis haben wir meist keinen speziellen Druck, etwas zu komponieren. Jedem von uns fällt mal ein Stück oder eine Melodie ein. Man bringt das fertige Stück oder das Fragment in die Probe, und dann wird gemeinsam ausprobiert, ob es zu unserer Formation passt oder nicht. Genauso gehen wir übrigens vor, wenn wir Werke von Komponisten ins Programm aufnehmen, die nicht bei uns mitspielen.

Die beiden Ältesten und die Jüngste der aktuellen Formation sind SUISA-Mitglieder, Sie selber und Cristina jedoch nicht. Wie kommt das? Sind sie nicht an den Kompositionen beteiligt?
Das bedeutet nichts anderes, als dass Cristina und ich schlicht zu faul waren, um sich um das Thema SUISA zu kümmern.
Mit den je zwei Kompositionen, die es anzumelden gäbe, besteht aber auch noch nicht so ein gewaltiger Handlungsbedarf. Aber das kommt schon noch …

Was bedeutet die Prix-Walo-Nomination für Sie?
Ganz ehrlich: Wir fragen uns nach wie vor, wie man auf uns gekommen ist.
Den Prix Walo haben wir bis jetzt mit der grossen Show- und Fernsehwelt, mit Glitzerkleidern und Dirndl in Verbindung gebracht und sicher nicht mit einer Formation wie der unserigen, die fast immer in kleinen Sälen auftritt, unverstärkt und in dezentes Schwarz gekleidet.
Aber natürlich freut es uns sehr, dass man an uns gedacht hat und dass wir offenbar wahrgenommen werden, obwohl wir in vielem nicht den Anforderungen der Show- und Entertainment-Szene entsprechen.

www.fraenzlis.ch, Website Ils Fränzlis da Tschlin
www.prixwalo.ch, Website des Prix Walo

Die Galaverleihung des 44. Prix Walo findet am 13. Mai 2018 in den TPC-Studios in Zürich statt und wird live auf Star TV ab 20.00 Uhr übertragen. Beim Prix Walo werden Schweizer Künstler aus verschiedenen Sparten ausgezeichnet. Ziel des Prix Walo ist, die Schweizer Showbranche im Allgemeinen und den Künstlernachwuchs im Unterhaltungssektor zu fördern. Die SUISA unterstützt den Prix Walo finanziell und übergibt dieses Jahr den Preis in der Sparte Volksmusik.

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