Direkt zum Inhalt wechseln
Cégiu

Im Dialog mit anderen und dem eigenen Körper

Im Dialog mit anderen und dem eigenen Körper
Céline-Giulia Voser alias Cégiu
Foto: Gian Marco Castelberg
Text von Gastautor Rudolf Amstutz
Das Ohr als Mikrofon und Instrument, das Gehirn als Mischpult und der Körper als individuell wahrnehmbarer Subwoofer: Céline-Giulia Voser alias Cégiu will mit ihrem neuen Vorhaben «Coiled Continuum» Musik physisch erfahrbar werden lassen. Die FONDATION SUISA unterstützt sie dabei mit einem «Get Going!»-Beitrag.

Bei der Musik von Cégiu kommt die Textur der Oberfläche nur kurz zum Einsatz – einzig in den ersten paar Sekunden eines Songs, wenn er erstmals mit den Ohren der Hörerin, des Hörers Kontakt aufnimmt. Anschliessend verwandelt sich die Musik in einen Strudel, in ein komplex verwobenes mäanderndes Labyrinth, das sich den Weg tief ins Unterbewusstsein der Hörenden schlängelt und mit den Emotionen jongliert. Über drei Alben hat Cégiu ihre Kunst mittlerweile verfeinert: Auf «Skinny Souls» (2016), «Restless Roots» (2019) und «Glowing Goodbyes» (2021) bringt sie durch den Einsatz mehrerer Sprachen nicht nur den Turm zu Babylon zum Einsturz, sondern baut unentwegt an neuen, noch raffinierteren akustischen Geflechten, die ungewohnte Reize auf der emotionalen Tastatur auslösen können. So schafft die 39-jährige Zentralschweizerin mit Wurzeln im Friaul und der Westschweiz das Kunststück, die Katharsis, die ihrer Musik innewohnt, auch auf andere zu übertragen.

Auf «Restless Roots» heisst einer ihrer Songs «Il Silenzio – n’existe pas» und in ihm verbirgt sich so ziemlich alles, was eine Cégiu-Komposition ausmacht: Die Stille, die nicht existiert, hat sie am eigenen Leib erfahren, als die Familie von einem an Verkehrslärm kaum zu überbietenden Ort in einen Wohnblock zog, der an einen Schlosspark grenzte. «Plötzlich», sagt Cégiu, «hörte ich meinen eigenen Körper, das Rauschen des Blutes in meinen Ohren.» Die Verzweiflung, die auf diese Erkenntnis folgt, wird stimmlich mit Flüstern und Schreien vertont und verbal in vier Sprachen unterstützt. «Aufgewachsen in einem mehrsprachigen Haushalt, habe ich früh schon gemerkt, dass man gewisse Zustände oder Gefühle in einer bestimmten Sprache pointierter ausdrücken kann als in einer anderen.» «Dream on mon coeur» flüstert sie über einem verfremdeten, ewig kreisenden Cello, das im Laufe des Stücks sämtliche Aggregatzustände durchwandert.

Die Wirkung von Musik auf unser Hirn, unseren Körper – damit beschäftigt sich Cégiu auch in ihrem aktuellen Projekt, für das sie von der FONDATION SUISA mit einem «Get Going!»-Beitrag unterstützt wird. «Coiled Continuum» nennt sie es und der Name ist Programm. Innerhalb dieses geschlossenen, sich immer neu drehenden Kontinuums will Cégiu mit anderen Kulturschaffenden zusammenarbeiten, indem sie bereits Erschaffenes zur Weiterverarbeitung an andere übergibt, die in der Folge wiederum das Resultat erneut an Cégiu zurückspielen.

«Das Bild von einer sich kontinuierlich drehenden Spirale fasziniert mich», sagt sie. «Ich möchte dieses Vorgehen auf allen Ebenen des Projektes einbauen, sei dies bei meinen Arbeitsabläufen, bei den Kollaborationen, aber auch auf der Ebene der Rezeption. Ein ewiges Hin und Her, auch als Anlehnung daran, wie unser Leben eigentlich funktioniert.» Mit der Musikerin und Produzentin Anna Murphy und der Slampoetin Dominique Macri steht sie bereits im Austausch. Auch mit dem Fotografen Gian Marco Castelberg und für das visuelle Konzept mit Bartholomäus Zientek. Weitere werden folgen. «Da wir heute in einer stark von der Visualität geprägten Welt leben, suche ich auch den interdisziplinären Austausch.»

Inhaltlich bewegt sich das Projekt rund um die Thematik der psychoakustischen Wahrnehmung, mit der sich die Komponistin und Installationskünstlerin Maryanne Amacher (1938-2009) intensiv beschäftigte. «Das Ohr» erklärt Cégiu, «kann nicht nur Geräusche wahrnehmen, sondern auch selbst welche erzeugen, was mittels eines Stimulus provoziert werden kann.» Ziel sei es, dass Ohr und Gehirn beim Hören der Musik stimuliert werden, eigene Klänge zu entwickeln: «Es soll eine neue körperliche Erfahrung entstehen, so dass Musik physisch erlebbar wird.» Dies soll nicht nur beim Streamen der Musik (unter Kopfhörer) möglich sein, sondern auch live: «Mein Traum wäre es, dass ich den Raum und das Verhalten der Menschen so einsetzen kann, dass sie mich auf der Bühne wiederum beeinflussen und so das Publikum Teil der Band wird.» Dabei spielen die Beats wie in allen Arbeiten Cégius eine dominante Rolle. Für «Restless Roots» nutzte sie dafür die Geräusche von Rollkoffern, auf «Glowing Goodbyes» jene von Insekten und nun sollen die Nebengeräusche des Mundes, die bei Sprachnachrichten entstehen, für die komplexe Rhythmik der Musik sorgen.

Auch wenn das Ergebnis aus «Coiled Continuum» ein abgeschlossenes Werk in Form eines Albums werden soll, so will Cégiu während des Arbeitsprozesses die digitalen Möglichkeiten für eine Art «Audio Diary» nutzen. Diese Sichtbarkeit erlaube den Austausch mit anderen und werde so auch Teil des Kontinuums.

Diese Form des Arbeitens, die intensive Beschäftigung mit dem Thema, dies alles erfordert Zeit und Geld. «Diese Form der Unterstützung durch die FONDATION SUISA, bei der zu Beginn kein Resultat und auch kein Zeitpunkt definiert werden muss, lässt einen ungeahnten Entwicklungsspielraum zu, bei dem man sich auch auf Risiken einlassen kann», umschreibt Cégiu die Vorteile von «Get Going!». So sei ohne Druck von aussen eine vertiefte Arbeit erst möglich.

www.cegiu.com

Seit 2018 existiert «Get Going!» als Förderangebot der FONDATION SUISA. Mit dieser neuen Form eines Werkbeitrages werden kreative und künstlerische Prozesse finanziell angestossen, die sich ausserhalb der gängigen Kategorien befinden.
Cégiu

In dialogo con gli altri e con il proprio corpo

Im Dialog mit anderen und dem eigenen Körper
Céline-Giulia Voser alias Cégiu
Foto: Gian Marco Castelberg
Contributo ospite di Rudolf Amstutz
L’orecchio come microfono e strumento, il cervello come mixer e il corpo come subwoofer percepibile individualmente: con il suo nuovo progetto «Coiled Continuum», Céline-Giulia Voser, alias Cégiu, mira a rendere la musica percettibile fisicamente. La FONDATION SUISA la sostiene con un contributo finanziario «Get Going!».

Nella musica di Cégiu, la struttura della superficie viene utilizzata solo per breve tempo, unicamente nei primi secondi di una canzone, quando entra in contatto per la prima volta con le orecchie dell’ascoltatrice o dell’ascoltatore. Dopodiché, la musica si trasforma in un vortice, in un labirinto complesso, intrecciato e tortuoso, che si fa strada nel profondo del subconscio dell’ascoltatore e gioca con le emozioni. Cégiu ha nel frattempo affinato la sua arte in tre album: in «Skinny Souls» (2016), «Restless Roots» (2019) e «Glowing Goodbyes» (2021) non solo fa crollare la Torre di Babilonia attraverso l’uso di idiomi diversi, bensì crea incessantemente nuovi intrecci acustici, ancora più sofisticati, in grado di innescare stimoli inediti sulla tastiera emotiva. È in questo modo che la 39enne della Svizzera centrale, con radici friulane e romande, riesce nell’impresa di trasferire anche ad altri la catarsi insita nella sua musica.

In «Restless Roots», una delle sue canzoni s’intitola «Il Silenzio – n’existe pas» e contiene praticamente tutti gli elementi distintivi di una composizione di Cégiu: il silenzio che non esiste l’ha vissuto in prima persona, quando la famiglia si è trasferita da un luogo insuperabile in termini di rumore del traffico a un caseggiato confinante con il parco di un castello. «Improvvisamente», riferisce Cégiu, «sono riuscita a sentire il mio stesso corpo, il suono del sangue che scorreva nelle mie orecchie.» L’angoscia che fa seguito a questa constatazione è trasposta a livello vocale in sussurri e urla e supportata verbalmente in quattro lingue. «Crescendo in una famiglia multilingue, mi sono accorta ben presto che certi stati d’animo o sentimenti si possono esprimere in modo più marcato in una data lingua rispetto a un’altra.» In «Dream on mon coeur», l’artista sussurra sulle note di un violoncello alienato, in un ciclo infinito, che vaga attraverso tutti gli stati fisici nel corso del brano.

L’effetto della musica sul nostro cervello, sul nostro corpo – anche di questo si occupa Cégiu nel suo attuale progetto, per il quale è sostenuta dalla FONDATION SUISA con un contributo «Get Going!». Il nome da lei scelto, «Coiled Continuum», la dice lunga: all’interno di questo continuum chiuso e in costante rotazione, Cégiu mira a collaborare con altri artisti creativi, trasmettendo per un’ulteriore elaborazione ciò che è già stato creato ad altri, che poi a loro volta restituiscono il risultato a Cégiu.

«L’immagine di una spirale in continua rotazione mi affascina», dichiara. «Vorrei incorporare questo approccio a tutti i livelli del progetto, nei miei processi lavorativi, nelle collaborazioni, ma anche sul piano dell’accoglienza. Un eterno andirivieni, anche in riferimento all’effettivo principio alla base della nostra esistenza.» Cégiu è già in contatto con la musicista e produttrice Anna Murphy e con il poeta Slam Dominique Macri, ma anche con il fotografo Gian Marco Castelberg e, per il visual concept, con Bartholomäus Zientek. Ne seguiranno altri. «Poiché viviamo in un mondo fortemente influenzato dalle immagini, sono anche alla ricerca di uno scambio interdisciplinare.»

Dal punto di vista dei contenuti, il progetto ruota attorno al tema della percezione psicoacustica, di cui si è occupata assiduamente la compositrice e artista di installazioni Maryanne Amacher (1938-2009). «L’orecchio», spiega Cégiu, «non è soltanto in grado di percepire i suoni, ma anche di generarli in autonomia, con un processo innescato mediante uno stimolo.» Lo scopo è stimolare l’orecchio e il cervello a sviluppare propri suoni durante l’ascolto della musica: «Per dare vita a una nuova esperienza corporea che renda la musica percettibile fisicamente.» E non solo durante lo streaming della musica (con le cuffie), ma anche dal vivo: «Il mio sogno sarebbe quello di poter sfruttare lo spazio e il comportamento delle persone in modo tale che a loro volta mi influenzino sul palco e il pubblico diventi parte della band.» Come in tutte le opere di Cégiu, i ritmi giocano un ruolo fondamentale. Per «Restless Roots» l’artista ha usato il rumore delle rotelle delle valigie, in «Glowing Goodbyes» quello degli insetti, e ora i rumori di sottofondo della bocca, percepibili durante i messaggi vocali, che vanno a comporre la ritmica complessa della musica.

Anche se il risultato di «Coiled Continuum» è destinato a divenire un lavoro completo sotto forma di album, Cégiu vuole utilizzare le opzioni digitali disponibili per una sorta di «Audio Diary» durante il processo lavorativo. Questa visibilità consente il confronto con gli altri e diventa pertanto a sua volta parte del continuum.

Una simile modalità di lavoro, l’intensa concentrazione sul tema – tutto ciò richiede tempo e denaro. «Questa forma di sostegno della FONDATION SUISA, che non prevede risultati o tempistiche da definirsi a priori, consente un margine d’azione inimmaginabile, in cui ci si può anche concedere qualche rischio», afferma Cégiu descrivendo i vantaggi di «Get Going!». In altre parole, l’unico approccio possibile per impegnarsi a fondo senza pressioni dall’esterno.

www.cegiu.com

Dal 2018 esiste «Get Going!» come offerta di sostegno della FONDATION SUISA. Con questa nuova forma di contributo alla creazione vengono incentivati finanziariamente processi creativi e artistici che esorbitano dalle categorie convenzionali.

Schreibe einen Kommentar

Alle Kommentare werden moderiert. Bis zur Freischaltung kann es etwas dauern. Es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung eines verfassten Kommentars. Die Redaktion behält sich vor, Kommentare, die den Nutzungsbedingungen widersprechen, nicht zu veröffentlichen.

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.