Im Gespräch schwärmt Hasan Nakhleh immer wieder von Bern. Von ihrer Schönheit und von der Ruhe, die er hier gefunden hat. Nakhleh lebt seit 2014 in der Bundesstadt, die Liebe hat ihn in die Schweiz geführt. Seit 2021 besitzt er den Schweizer Pass. Das ist nicht unerheblich für einen, der in den Golanhöhen aufgewachsen ist. Die arabische Bevölkerung ist im von Israel annektierten Gebiet de facto staatenlos. «Golan», so Nakhleh, «ist eine Heimat, die keine ist und Bern wiederum ist ein Ort, der fernab meiner eigenen Heimat ist».
Aus diesem Spannungsfeld heraus schöpft der 35-Jährige die Kreativität für seine Musik. Gemeinsam mit Bruder Rami musiziert er seit seiner Kindheit. Als sie dann eine Band gründeten, mit der sie in den örtlichen Clubs auftraten, nannten sie sich TootArd. Hasan lacht, weil der Name auf deutsch «Erdbeere» bedeutet. «Wir wollten nicht in den Verdacht geraten, dass wir in unseren Texten politische Botschaften verbreiten. Erdbeere erschien uns als Name harmlos genug.»
Drei Alben hat das Duo bereits veröffentlicht. Ihr zweites Werk nannten sie «Laisser passer» – so heisst das Schriftstück, das sie anstelle eines Passes erhielten. «Damit durften wir die Golanhöhen verlassen, aber wenn wir ins Ausland reisen wollten, zog dies stets mühsame Visa-Beantragungen nach sich.»
Als Schweizer kann er nun ohne Mühe reisen, wohin er will. Während Hasan die Ruhe Berns für seine Arbeit schätzt, ist Bruder Rami in seinem Heimatdorf geblieben. «Das hindert uns nicht an der Zusammenarbeit», erklärt er. Während Rami für die Beats zuständig ist, sorgt Hasan für den Rest – einschliesslich des Gesangs. Und wie «Migrant Birds», der Titel des letzten Albums andeutet, wollen sie ihre ansteckende Tanzmusik mit den hypnotischen Beats, den arabisch und orientalisch gefärbten Melodien und den poetisch angehauchten sozialkritischen Texten wie Zugvögel auf der Welt verbreiten.
«Was wir auf unserem letzten Album begonnen haben, möchte ich nun perfektionieren», erklärt er und meint damit eine globale Tanzmusik zu schaffen, die überall verstanden wird, die aber gleichzeitig die Herkunft nicht leugnet. Dank des «Get Going!»-Beitrages hat er nun unter anderem die Zeit, seine analogen und digitalen Synthesizer neu zu tunen, damit er darauf Vierteltöne spielen kann. «Diese Vierteltöne sind fester Bestandteil des arabischen Tonsystems. Aber sie sind auf Tasteninstrumenten nicht spielbar. Ich verwende deshalb Stimmboxen, die via «Midi» mit den Instrumenten kommunizieren. So lässt sich die Stimmung auf den Keyboards verändern.» Als Komponist wiederum sei die Herausforderung, die richtige Balance zu finden zwischen Ost und West, zwischen seiner kulturellen Heimat und der Welt, in der er nun lebt und arbeitet.
Hasan Nakhleh schildert die Erlebnisse, die er und sein Bruder an den Konzerten immer wieder erleben, egal ob in der Schweiz, in London, Toronto, Tokio oder Kairo. «Bei unseren Auftritten kommen Menschen verschiedenster Herkunft zusammen, um zu tanzen. Das fördert die Toleranz, weil Musik im Allgemeinen eine verbindende Wirkung entfaltet. Zudem bauen wir so auch gewisse Stereotypen ab, weil wir das arabische Kulturerbe in ein zeitgemässes musikalisches Kleid integrieren.»
Der «Get Going!»-Beitrag sei dabei «die beste Form von Unterstützung, die man bekommen kann», betont er. «Wenn man Künstlerinnen und Künstlern die finanzielle Freiheit ermöglicht, wird immer ein Resultat entstehen.» Auch dass mit dem Förderbeitrag kein konkretes Ergebnis verbunden ist, erachtet er als Motivation: «Es existiert kein äusserer Zwang. Ich muss also nicht. Also stellt sich die Frage: Will ich das?». Mit «Get Going!» – unterstreicht er zum Schluss – werde ihm als Künstler das Vertrauen geschenkt. Das sei etwas ganz und gar Aussergewöhnliches. «Dieser Aspekt allein ist für mich persönlich Pflicht genug, um etwas Gutes zu realisieren.»