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Ein unscheinbares Medium, das mehr Beachtung verdient

Ein unscheinbares Medium, das mehr Beachtung verdient
Die Schweizer Musikzeitung versteht sich als Plattform der vielfältigen Schweizer Musikszene.
Grafik: Hubert Neidhart / SMZ
Text von Gastautor Markus Ganz
Die Schweizer Musikzeitung ist weit mehr als ein Mitteilungsblatt schweizerischer Musikverbände. Sie hat sich zu einer anregenden Plattform entwickelt, auf der Genre-, Sprachen- und Regionen-übergreifend über musikalische Themen berichtet wird.

Seit bald 24 Jahren erscheint die Schweizer Musikzeitung (SMZ) – eine lange Zeit, in der sich die Medienwelt radikal verändert hat, Stichwort Internet. Da fragt sich: Warum braucht es diese Zeitung noch, die trotz Online-Präsenz neunmal jährlich auf Zeitungspapier gedruckt wird? Oder anders gefragt: Wie würde man die Notwendigkeit dieses Fachblatts begründen, wenn es noch nicht existieren würde und man ein solches Projekt lancieren wollte?

Katrin Spelinova, die die SMZ seit 2007 als Chefredaktorin leitet, zögert keinen Moment: «Es braucht in der Schweiz eine Stimme für die Musik, eine, die auch ausserhalb der Welt der Musik wahrgenommen wird.» Damit spielt sie darauf an, dass die Politik eine einzige Stimme der Musikverbände wünsche.

Solide Basis

Tatsächlich hängt die Gründung der SMZ mit dem Bundesamt für Kultur (BAK) zusammen. «1998 änderte das BAK seine Strategie und kürzte Musikverbänden finanzielle Beiträge», erklärt Katrin Spelinova. «Ein Argument war, die Musikverbände sollten doch ihre Zeitschriften zusammenlegen.» So geschah es. Mittlerweile ist die SMZ offizielles Mitteilungsorgan von 12, inklusive Unterorganisationen sogar von rund 30 Musikverbänden. Die SUISA ist mit der SMZ partnerschaftlich verbunden und nutzt den Publikationskanal, um ihre Themen in Zusammenhang mit Urheberrechten an Musik und der Genossenschaft zusätzlich zu streuen.

Katrin Spelinova betont, dass die SMZ keine Subventionen vom BAK erhalte. «Wir wurden aber von der Pro Helvetia unterstützt, als wir mit dem Relaunch 2013 auch den Online-Auftritt erneuerten. Sonst tragen uns die Verbände und das Inserategeschäft, das für uns sehr wichtig ist.» Die Art der Finanzierung durch die Verbände ist seit dem Relaunch 2013 gleichgeblieben. «Es ist ein zweistufiges Finanzierungsmodell. Die Verbände buchen jährlich ein Seitenpaket, das ihrem Bedarf entspricht, in der Regel fünf, neun oder 18 Seiten pro Jahr. Der zu zahlende Betrag richtet sich aber nicht nur nach der Anzahl dieser Seiten, sondern auch nach der Anzahl registrierter Abonnements der Verbandsmitglieder.» Wobei man sagen müsse, dass der Maximalpreis für ein solches Verbands-Jahresabo nur gerade fünf Franken betrage, was knapp das Porto decke. «Diese Einnahmen machen 25-30% unserer Gesamteinnahmen aus, der Rest kommt von Inseraten sowie den normalen Abos, die Fr. 70.- kosten.» Der Hauptteil der rund 18’500 Abos (WEMF 2021) geht an die Verbände.

Die rund 16 bis 20 Seiten der Verbände pro Ausgabe, die passend als «Basis» bezeichnet werden, sind kein Handicap für die Glaubwürdigkeit der SMZ. Einerseits sind sie grafisch klar abgegrenzt vom Mantelteil der Redaktion. Andererseits beinhalten sie nicht nur — naturgemäss oft eher trockene — Verbandsmitteilungen, sondern immer wieder auch spannende Artikel, etwa über die Tradition und Bedeutung der Musikkritik (Nr. 5/2021) oder den hinreissend beschriebenen «Don-Juan-Taumel: Russische Pianisten – Gendern nicht nötig – und die Paraphrasen über Mozart-Opern von Liszt» (Nr. 6/2021).

Schweizer Musikzeitung: Katrin Spelinova
Katrin Spelinova, Chefredaktorin der SMZ seit 2007. (Foto: SMZ)

Katrin Spelinova betont zudem: «Im von der Redaktion produzierten Mantelteil versuchen wir so unabhängig wie möglich zu sein.» Der Mantelteil ist selbsterklärend in die Bereiche «Focus», «Critiques», «Resonance», «Campus» und «Service» aufgeteilt. Das Filetstück der gedruckten Ausgabe ist der Themenschwerpunkt («Focus»), der online nicht publiziert wird. Hier kann man jeweils mehrere vertiefende Texte zu Themen wie «Hausmusik», «Portemonnaie», «Stimme», «Tiere», «Pause», «Corona», «Nebenfiguren» lesen.

Inhalt ohne Stilgrenzen

Zentral für den Inhalt ist die Ausrichtung auf das Zielpublikum. Katrin Spelinova: «Damit sind eindeutig die aktiv Musizierenden gemeint, ob Profis oder Amateure, ob aus Orchestern oder Bands, inklusive den Unterrichtenden und den Eltern von Musikschülern, auch Leute, die grundsätzlich an der Musik interessiert sind.» Entscheidend für die Themenwahl ist, dass die Schweizer Musikzeitung als Plattform der Schweizer Musikszene gedacht ist. «Wir berichten über alles, was die Musik in der Schweiz betrifft, sei es Unterricht, Vorführungen, Tonträger oder das Leben der Musikschaffenden – und zwar nicht das der Stars, das schon in anderen Medien abgehandelt wird. Wir möchten, dass die Leserschaft auch hinter die Kulissen sehen kann, dass sie Anstösse erhält, um ganz allgemein über die Musik nachzudenken.»

In den letzten Jahren wurde das stilistische Spektrum – und damit auch die Zielgruppe – zunehmend auf Jazz und Pop/Rock ausgeweitet. Katrin Spelinova will an dieser Erweiterung festhalten. «Es ist auch eine Erfahrung der Musikschulen, dass man mit dem Schubladendenken – der Einteilung in Klassik, Jazz, Pop/Rock, Weltmusik etc. – nicht weiterkommt, nicht zuletzt auch, weil sich die Stile vermischen.» Online mache man diese Unterteilung zwar noch, um den Zugriff zu vereinfachen. «Aber ich hoffe, dass dieses Schubladendenken dereinst wegfällt, dass man einfach nur noch über Musik und was dazugehört redet und schreibt.»

Katrin Spelinova bestätigt allerdings den Eindruck, dass die SMZ im Bereich klassischen Musikschaffens gut bekannt ist, in den Bereichen Pop/Rock und Jazzbereich aber deutlich weniger, trotz publizistischen Anstrengungen mit Stories aus diesen Bereichen. Sie ist aber optimistisch: «Durch die Fusion des Schweizerischen Tonkünstlervereins mit dem Verein Musikschaffende Schweiz und anderen Verbänden zu Sonart haben wir nun mehr Leserinnen und Leser aus diesem Bereich, und das wird sicher noch zunehmen.»

Das Zeitungsformat und die etwas brave und trockene Gestaltung sind aber ein Handicap bei einem eher jüngeren Publikumssegment, das sich vor allem im Internet bewegt und eine attraktivere, farbige Gestaltung gewöhnt ist. Das ist sich auch Katrin Spelinova bewusst. «Das ist sicher ein Punkt, den wir verstärkt beachten müssen, besonders um die Studierenden der Musikhochschulen mehr auf die SMZ aufmerksam zu machen. Wir versuchen, auf den Social-Media-Kanälen Instagram, Facebook und Twitter präsent zu sein. Aber wenn solche Auftritte wirklich überzeugen sollen, bedingt dies einen enormen Aufwand.»

Print trotz Online-Präsenz

Es fragt sich ohnehin, weshalb die SMZ trotz ausgebauter Online-Präsenz noch eine gedruckte Zeitung herausgibt, ist das nicht anachronistisch? Katrin Spelinova betont, dass man die SMZ auch als E-Paper abonnieren könne, doch dieser Anteil sei verschwindend klein, betrage weniger als ein Prozent der Leserschaft. «Es ist absolut wichtig, dass diese Zeitung in den Briefkasten kommt, damit die Leserinnen und Leser – neunmal im Jahr – daran erinnert werden, was ihr Verband für sie tut. Durch unseren recht ausgebauten Mantelteil haben sie auch die Gelegenheit, etwas zu lesen über Aspekte, nach denen sie nicht aktiv im Internet suchen würden, weil es gar nicht auf dem Radar ist.» Hinzu komme ein geschäftlicher Grund: «Online könnten wir uns nicht finanzieren – das Inserategeschäft läuft hauptsächlich immer noch über die Print-Ausgabe.»

Schweizer Musikzeitung: Druckerei
Die SMZ wird neben der ausgebauten Online-Präsenz weiterhin neunmal jährlich auf Zeitungspapier gedruckt. (Foto: Pia Schwab / SMZ)

Entsprechend fragt sich, wie sich Online- und Print-Version unterscheiden. Katrin Spelinova: «Da wir nur noch neun Mal jährlich erscheinen, können wir in der Sommerpause einen aktuellen Bericht online bringen, der bei der nächsten Print-Ausgabe im September zu spät käme. Und, sehr wichtig, wir können längere Texte, die im Heft nicht mehr Platz haben, im Heft anteasern und mit einem QR-Code auf die integrale Online-Version verweisen. Dadurch erhalten wir Spielraum.»

Interessant ist die Chat-Seite im Printteil, wo sich zwei Persönlichkeiten zu einem Thema austauschen. Dies hat vor allem online Potential, um Diskussionen anzustossen, indem der Chat als moderierte Online-Diskussionsplattform ausgebaut würde, die regelmässig ein Thema setzt, das von Fachleuten kontrovers erörtert wird und dann von der Leserschaft weiterdiskutiert werden kann. Darin sieht auch Katrin Spelinova eine Chance. «Wir haben relativ wenig direktes Feedback, auch nicht über die Kommentarfunktion. Letztes Jahr haben wir zum Beethoven-Jubiläum jede Woche ein Werk vorgestellt und die Leser aufgefordert, ihre Beziehungen zu oder ihre Erfahrungen mit dieser Komposition kundzutun. Aber es ging sehr wenig, wir konnten nur wenig vom Publikum spüren.»

Brückenfunktion zwischen Sprachen und Regionen

Dank der Online-Präsenz sind News auch wirklich News. Hier zeigt sich die Qualität der SMZ durch eine sorgfältige Auswahl, etwa mit Hinweisen zu Erkenntnissen aus der Musikforschung. Katrin Spelinova betreut vor allem, was die Verbände betrifft, und wird bestens von Wolfgang Böhler unterstützt, der vielen Leuten noch vom Online-Magazin «Codex flores» bekannt sein dürfte. «Er hat einen sehr guten Überblick über das, was in der Kulturpolitik in den Kantonen und Gemeinden geschieht.» Hinzu kommen News von Jean-Daniel Humair, der in Lausanne den französischen Teil der SMZ betreut; im Redaktionsteam wirkt zudem Pia Schwab mit. «Aber es ist ein Kapazitätsproblem, den französischen Teil ebenso ausgiebig zu betreuen wie den deutschen Teil.»

Italienische Texte sind denn auch die grosse Ausnahme, obwohl der Austausch zwischen den Regionen und Sprachen hochgehalten wird. «Wir versuchen es, weil die Brückenfunktion der SMZ wichtig ist. Man darf aber nicht vergessen: Für Tessiner Musikschaffende kann es interessanter sein, wenn man über sie auf Deutsch berichtet, damit sie in der Deutschschweiz besser wahrgenommen werden. Wir haben denn auch letztes Jahr über das Tessin als Randregion berichtet, dieses Jahr wird es der Jura sein, nächstes Jahr Graubünden.»

Wünschenswert wären auch mehr Rezensionen, die gemäss Katrin Spelinova für Musikschaffende wichtig sind. «Entscheidend für uns ist, dass CDs einen Schweizer Bezug haben und nicht von Superstars stammen, die ohnehin schon überall präsent sind. Zudem sollten Konzertbesprechungen – wenn möglich – eine Strömung oder ein Phänomen mit mehreren Beispielen widerspiegeln. Konkret gab es in einer der letzten Ausgaben einen Text über neue Streichquartette von Schweizer Komponistinnen, die innerhalb von zwei Wochen in Brunnen und in Zürich aufgeführt wurden. So kann man auch noch einen Kontext vermitteln, was weit mehr bringt als eine reine Konzertkritik.»

Die beteiligten Musikverbände:
Eidgenössischer Orchesterverband (EOV), Forum Musik Diversität (FMD), Konferenz Musikhochschulen Schweiz (KMHS), Musikhochschule Kalaidos, Schweizerischer Jugendmusikwettbewerb & Arosa Kultur (SJMW), Schweizerische Musikforschende Gesellschaft (SMG), Schweizerische Gesellschaft für Musik-Medizin (SMM), Schweizerischer Musikpädagogischer Verband (SMPV), Schweizer Musikrat & CHorama (SMR), Schweizerischer Musikerverband (SMV), SONART – Musikschaffende Schweiz, Genossenschaft der Urheber und Verleger von Musik (SUISA) und der Verband Musikschulen Schweiz (VMS).

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(Text: SMZ)

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