Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitglieder, liebe Gäste
Wenn wir so wie heute Abend zusammenkommen, um ein Jubiläum zu feiern, versuchen wir, bewusst oder unbewusst, uns an die Anfänge zu erinnern. An den Moment, in dem eine Gruppe von Menschen fest genug an eine Idee, einen Wert und an die Hoffnung auf eine bessere Zukunft geglaubt hat.
Ein solcher Moment geschah in der Schweiz rund um das Urheberrecht für die Musik im Jahr 1923. Die Mechanlizenz ist in unserem Fall dieser Ursprung.
So wie die europäischen Länder demokratische Systeme und Parlamente geschaffen haben, wurden die Rechte der Autoren/innen und Künstler/innen im Laufe des 20. Jahrhunderts mehr und mehr anerkannt.
All diese komplexen Rechtsstrukturen, Vorschriften, Listen und Anmeldungen von Werken und der heutige Datenfluss wurden zu welchem Zweck eingeführt?
Um es den Künstlern/innen und Musikern/innen zu erlauben, freie Frauen und Männer zu sein.
Ohne dieser Zusammenkunft eine allzu feierliche Note geben zu wollen, halte ich es für wichtig und meine Aufgabe, diese Tatsache heute Abend in Erinnerung zu rufen. Es ist jedoch nicht immer einfach, dies einer breiten Bevölkerung verständlich zu machen. Letztendlich geht es darum, die Freiheit, unsere Freiheit des musikalischen Schaffens zu garantieren, und das ist keine Kleinigkeit.
Es ist faszinierend, wie die Musik – immaterielle Kunst par excellence, da sie nur aus Wellen und Intensität besteht – oft die erste Kunst war, die die grossen Paradigmenwechsel der Moderne durchlebte.
Mozart und Haydn waren schon vor der Französischen Revolution Republikaner in ihren Werken. Vor dem Fernsehen hatte das Radio bereits während der ersten grossen technologischen Revolution der Reproduktion den Menschen musikalische Werke zu Gehör gebracht und verbreitet. In den 1990er Jahren musste sich dann die Musik alleine – vor den anderen künstlerischen Bereichen – an die digitale Revolution anpassen.
Uns – Musikern/innen, Komponisten/innen, Verlegern/innen, Informatikern/innen und Urheberrechtsjuristen/innen – ist dies gelungen. Nicht ohne Schwierigkeiten, aber mit Ausdauer und Erfolg. Heute ist es die künstliche Intelligenz, die, besonders wenn man das Tempo der Entwicklungen betrachtet, mit Sicherheit die musikalische Kreativität herausfordern wird, und wieder einmal droht der Musik, bei den Veränderungen in der ersten Reihe zu stehen.
Eine Feier wie diese macht deutlich, dass wir keine Angst vor der Zukunft haben müssen sondern zuversichtlich sein können: Wir sind stark, wir haben aussergewöhnliche Künstlerinnen und Künstler an unserer Seite, die heute Abend in diesem Raum anwesend sind, Gäste aus der Politik, SUISA-Kunden/innen und vor allem – ich sage es mit grosser Überzeugung – alle SUISA-Mitarbeitenden und deren Management, Andreas Wegelin, Irène Philipp und Vincent Salvadé. Ihr Engagement und ihre Professionalität kann ich heute Abend nur loben.
Es funktioniert, weil es um eine gerechte, noble Sache geht.
Dahinter steht ein Gedanke, der sogar schon vor 1923 existierte, da er aus der Zeit der Aufklärung stammt: «Der Kunstschaffende, dem sein Werk gehört, ist ein freier Kunstschaffender. Wenn man ihm sein Eigentum nimmt, nimmt man ihm seine Unabhängigkeit.» Einige von Ihnen haben vielleicht bemerkt, dass ich soeben umformuliert habe, was Victor Hugo 1878 zur Rolle des Autors sagte. Kehren wir bei all unseren Entscheidungen, die mitunter sehr komplex sind, zu diesem Prinzip zurück. Lassen wir niemanden Eigentümer unserer Werke werden, und kämpfen wir dafür, dass diese für die Kreativität unerlässliche Freiheit erstrahlt und heute Abend eine ausgelassene, abwechslungsreiche, festliche, freundliche und … musikalische Form annimmt!