Heute ist fast alles digital – damals im Jahr 1923 war das meiste noch mechanisch. Der technologische Wandel hatte immer wieder Anpassungen des Urheberrechtsgesetzes zur Folge. Und so beginnt die bewegte Geschichte der SUISA kurz nachdem 1922 die erste Verbesserung des ursprünglichen Schweizer Urheberrechtsgesetzes von 1883 in Kraft getreten ist.
Die Komponistinnen und Komponistenwie auch Musikerinnen und Musiker damals waren in Sorge, dass Musikautomaten ihre Live-Auftritte konkurrenzieren. Wichtigste Aufgabe der im Juni 1923 gegründeten MECHANLIZENZ AG war es, die Herstellung von Tonträgern zu lizenzieren. Schallplatten standen noch in den Anfängen und so drehte es sich hauptsächlich um die Musikdosen, die vor allem aus der Gegend um Yverdon und Sainte-Croix den Weg in die ganze Welt fanden.
Alles für die Musik
Ein Jahr später erfolgt die Gründung der GEFA, der schweizerischen Gesellschaft für Aufführungsrechte. Nach der Einführung des neuen Verwertungsgesetzes wird die GEFA von einem Verein in eine Genossenschaft umgewandelt und nimmt am 1. Januar 1942 die Tätigkeit unter einem neuen Namen auf: SUISse Auteurs – oder eben kurz die SUISA.
1946 beschliesst der Vorstand, einen Geschäftssitz in Lausanne zu eröffnen, um die Mitglieder und Kunden/innen in der Westschweiz besser betreuen zu können. Zudem wird die Niederlassung in Lausanne auch Anlaufstelle für alle Kinos, Filmproduzenten und Fernseh-Werbeauftraggeber der ganzen Schweiz. Noch im selben Jahr bezieht eine kleine Belegschaft den Bel-Air-Turm, das damals grösste Hochhaus der Schweiz. Im Jahr 1954 wird in das künftige «Haus der Musik» in Lausanne umgezogen. Ab 2002 wird für die Kundinnen und Kunden und Musikschaffenden im Tessin dann auch eine Zweigniederlassung in Lugano existieren.
Steigender Musikkonsum
In den Nachkriegsjahren wird immer mehr Musik konsumiert und auch immer mehr komponiert. Zwischen 1942 und 1960 verdreifacht sich die Mitgliederzahl der SUISA. 1958 wird die MECHANLIZENZ AG der SUISA angegliedert, bleibt aber vorerst juristisch unabhängig. 22 Jahre später wird die vollständige Fusion der beiden Gesellschaften beschlossen.
Ab 1961 übernimmt Ulrich Uchtenhagen die Geschicke der SUISA und führt sie während 28 Jahren durch die Veränderungen in der Zeit der Hochkonjunktur. In seine Zeit fällt der Aufbau des Weltverzeichnisses der Urheber/innen und Verleger/innen. Vom Weltverband der Verwertungsgesellschaften (CISAC) erhält die SUISA den Auftrag, eine «Liste» mit allen Komponisten/innen, Textautoren/innen und Musikverlegern/innen zu erstellen, die bei einer Urheberrechtsgesellschaft angemeldet sind. Daraus entsteht das CAE-Verzeichnis der Compositeurs, Auteurs und Éditeurs über alle Sparten wie Musik, Literatur, Film oder bildende Kunst. Schnell listet dieses schon mehr als eine Million Urheber/innen und Verleger/innen.
Die SUISA bietet dieses Verzeichnis als Dienstleistung allen Verwertungsgesellschaften weltweit gegen Bezahlung einer Nutzungslizenz an. Seit Ende der 90er Jahre ist das CAE das IPI (Interested Parties Information), auf das online alle Rechteinhaber/innen rund um den Globus zugreifen können.
In den 60er und 70er Jahren wird das partnerschaftliche Verhältnis zu wichtigen Nutzern wie der SRG und dem Gastgewerbe vertieft. Der gesteigerte Musikkonsum und immer mehr angemeldete Werke verlangen nach einer eigenen EDV-Anlage zum Verarbeiten der damals enormen Datenmenge. Mitunter wegen des damals riesigen Platzbedarfs der Informatik baut die SUISA den heutigen Hauptsitz an der Bellariastrasse in Zürich Wollishofen, den sie im Herbst 1968 bezieht.
Fördern und einfordern
Ende der 80er Jahre wird die «SUISA-Stiftung für Musik», die heutige FONDATION SUISA gegründet. Initiator war der Westschweizer Komponist und Schriftsteller Michel Bühler und seine Idee einer zentralen Struktur zur Unterstützung des Chansons. So ist die Aufgabe der FONDATION SUISA denn auch die Förderung des aktuellen Musikschaffens in der Schweiz und im Ausland, wofür heute jährlich rund 2,5 Millionen Franken vergeben werden.
Der Beginn des Online-Musikvertriebs Ende der 90er Jahre ist der Startschuss zu tiefgreifenden und anhaltenden Veränderungen. Die EU-Kommission will 2006 mit einer Empfehlung die grösstmögliche Konkurrenz zwischen den Gesellschaften um die Verwaltung der Online-Rechte erreichen. Die Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber sollen im Binnenmarkt frei von territorialen Grenzen entscheiden können, welcher Gesellschaft sie ihre Rechte zur Verwaltung anvertrauen. Als Folge entziehen grosse angloamerikanische Major-Verlage den europäischen Verwertungsgesellschaften die Vervielfältigungsrechte in der Hoffnung, diese selbst und direkt bei den bei Online-Musikanbietern zu besseren Konditionen lizenzieren zu können. Die SUISA entwickelt darauf als erste Verwertungsgesellschaft überhaupt ein taugliches System, das die Werk-Anteile der Major-Verlage ausscheiden (sogenanntes «Carve out») und so die Lizenzen bei der Online-Nutzung korrekt abrechnen kann.
Nach der Revision ist vor der Revision
«Braucht die Schweiz ein Gesetz gegen das illegale Herunterladen von Musik?» Dieses Postulat der damaligen Ständerätin Géraldine Savary ist 2010 Anstoss für die letzte Urheberrechtsrevision. Mit dem revidierten URG, das am 1. April 2020 in Kraft getreten ist, wird versucht, die Realität des Online-Geschäfts im Gesetz zu verankern. Doch die Interessen der Nutzer/innen und der Kulturschaffenden liegen in vielerlei Hinsicht weit auseinander. Die Konsumentinnen und Konsumenten erhalten zudem eine starke Position und verteidigen die Erlaubnis zur Privatkopie von Musik mit einer Entschädigung über die Leerträgervergütung. Und so wird es ein Kompromiss, bei dem sich beide Seiten entgegenkommen. Seither hat sich die Technologie wieder rasant verändert: Musik wird immer häufiger gestreamt. Eine Regelung für das Herunterladen von Musik kommt ganz, für Filme knapp zu spät.
Es steht ausser Frage, dass diese Revision des Schweizer Urheberrechts nicht die letzte, sondern eher bereits der Auftakt zu einer nächsten darstellt. Durch die rasch fortschreitende Digitalisierung und neu aufkommende technologische Entwicklungen wie künstliche Intelligenz oder maschinelles Lernen werden die rechtlichen Normen erneut zu überprüfen sein.
Grosse Schritte in die Zukunft
Seit 2010 amtet die aktuelle Geschäftsleitung der SUISA. CEO Andreas Wegelin, sein Stellvertreter Vincent Salvadé sowie COO und erste Frau in der SUISA-Geschäftsleitung Irène Philipp Ziebold lenken nicht nur die Geschicke der SUISA, sie treiben auch die technologische Erneuerung der Informatiksysteme und die Verschlankung und Automatisierung der Prozesse voran.
Nicht zuletzt aufgrund der gut ausgebauten und stetig weiterentwickelten Informatik ist die SUISA gut aufgestellt, um im internationalen Wettbewerb zu konkurrieren. Im Jahr 2017 gründet sie zusammen mit der US-amerikanischen Musikrechte-Organisation SESAC das Joint Venture Mint Digital Services, worüber seither die Abrechnung und Administration des länderübergreifenden Musiklizenzierungsgeschäfts mit Online-Anbietern stattfindet. Im selben Jahr wird auch die Gesellschaft SUISA Digital Licensing mit Sitz in Liechtenstein gegründet, die für die Lizenzierungen von internationalen Online-Musikplattformen zuständig ist. Beide Unternehmen bieten ihre Dienstleistungen auch anderen Verwertungsgesellschaften und Musikverlagen an und betreuten im letzten Jahr das Online-Geschäft von über 22 Verwertungsgesellschaften und 4000 Verlagen weltweit.
Wer hätte diesen Wandel vor 100 Jahren ahnen können? Und wer wagt eine Prognose auf die kommenden? Die Musiknutzung bleibt in stetem Wandel: Sie wird sich noch weiter ins Internet verlagern und die Lizenzierung von Musiknutzung im TV oder von Konzerten erfolgt nicht mehr zwangsläufig nach dem Territorialprinzip sondern durch denjenigen, der den besten Service und die günstigsten Konditionen anbietet. Die SUISA ist bereit für die Herausforderungen und dankt allen ehemaligen und aktuellen Mitarbeitenden, allen Komponisten/innen, Textautoren/innen und Verleger/innen für ihr Engagement und ihr Vertrauen. Gemeinsam machen wir seit hundert Jahren Musik möglich.