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10 Jahre Helvetiarockt: Die Stimme der Frauen* verstärken

10 Jahre Helvetiarockt: Die Stimme der Frauen* verstärken
Isabella Eder und Muriel Rhyner von der Zuger Band Delilahs rocken die Bühne beim PFF FFS Openair Menzingen 2015. (Foto: Tabea Hüberli)
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Gastbeitrag von Markus Ganz
Der Verein Helvetiarockt setzt sich seit zehn Jahren dafür ein, dass Frauen* in der Musikszene besser vertreten sind. Zeit für eine Bilanz.

Wer Konzerte besucht oder sich die Informationen von Musikproduktionen ansieht, wird nicht überrascht sein vom Befund, dass Frauen* in der Musikszene stark untervertreten sind. Der Verein Helvetiarockt schätzt, dass im Bereich von Pop, Rock und Jazz der Frauen*anteil auf der Bühne bei 15 Prozent liegt, in der Musikproduktion gar nur bei 2 Prozent.

Präzise Zahlen gibt es von der SUISA, die Supporterin von Helvetiarockt ist und gezielt Projekte des Vereins unterstützt: Ende 2018 lag der Anteil der Frauen* bei den Urheber*innen bei 15,7 Prozent. In einer Vorstudie zum Frauenanteil in der Basler Popszene kam man zu einem noch schlechteren Ergebnis: Nur gerade 10 Prozent der Personen, die in den Jahren von 2008 bis 2017 Musik machten, waren weiblich. Diese Zahlen sind umso ernüchternder, als nach Schätzung von Helvetiarockt in den Musikschulen der Anteil der Mädchen* noch rund 50 Prozent beträgt.

Förderung und Sensibilisierung

Helvetiarockt setzt sich seit 2009 für eine «signifikante Erhöhung des Frauen*anteils in der Schweizer Musikbranche» ein. Dies tut der Verein in erster Linie mit einem zunehmend breiten und spezifischen Angebot von Workshops wie etwa einem «Songwriting Camp» und Veranstaltungen wie etwa Panelgesprächen.

Damit will Helvetiarockt einerseits junge Frauen* dazu motivieren, in der Musikszene aktiv zu werden. Zum andern will der Verein gezielt professionelle Musikerinnen* fördern und vernetzen sowie die Branche für das Thema sensibilisieren. Entsprechend wichtig ist, dass die vielen im Verein engagierten Frauen* meistens auch selbst in der Musikbranche aktiv sind.

Bewusstsein geschaffen

Chantal Bolzern ist Anwältin* und arbeitete von 2004 bis 2017 bei der SUISA. Seit 2015 wirkt sie bei Helvetiarockt mit, gibt etwa Input-Referate zum Thema «Musik und Recht» und ist seit Anfang 2018 Co-Präsidentin* des Vereins. Zu den wichtigsten Errungenschaften zählt für sie, dass Helvetiarockt auf breiter Ebene das Bewusstsein für das Hauptanliegen des Vereins schaffen konnte. «Es muss mittlerweile kaum mehr diskutiert werden, ob die Gleichstellung der Frauen* in der Musikbranche wichtig ist. Damit haben wir eine gute Basis, um mehr bewirken zu können.»

Geschützter Rahmen

Manuela Jutzi stellt zufrieden fest, dass sie die Frage mittlerweile nicht mehr zu hören bekomme, ob es Helvetiarockt denn brauche. Sie ist Co-Geschäftsleiterin* des Vereins und übernahm bereits im Jahr 2014 die Leitung des «Female* Bandworkshops». «Bei der Durchführung zeigt sich immer wieder die Bedeutung für junge Frauen*, dass sie in einem geschützten Rahmen die ersten Schritte des Musizierens machen können.» Viele seien zu Beginn noch immer gehemmt ‒ ob das nun an der Sozialisation oder alten Rollenbildern liege. «Aber ich kann eine Verbesserung über die Jahre erkennen, und das liegt meiner Meinung nach zu einem guten Teil daran, dass die jungen Frauen* vermehrt Vorbilder auf der Bühne erleben können.»

Vorbildsfunktion

Tatsächlich ist es nicht mehr wie Ende des letzten Jahrtausends, als nur wenige selbstbewusste Schweizer Musikerinnen* wie Vera Kaa, Betty Legler oder Sina mit ihren Songs für Aufsehen sorgten ‒ und so zu Vorbildern werden konnten. Heute gibt es viele Beispiele wie etwa Nicole Bernegger, Heidi Happy, Stefanie Heinzmann, Sophie Hunger, Anna Rossinelli, Valeska Steiner (Boy) usw. Und längst auch in bisher für Schweizer Musikerinnen* eher untypischen Stilrichtungen, man denke an Anna Aaron, Big Zis, KT Gorique, Anna Murphy (Eluveitie) und Steff la Cheffe.

Als Vorbild kann auch Muriel Rhyner wirken, die sich bei Helvetiarockt seit Beginn engagiert, Mitglied des Teams ist und das ‒ 2019 von der SUISA unterstützte ‒ «Female* Songwriting Camp» leitet. Auch sie stellt einen deutlichen Wandel fest. «Als ich 2005 im Alter von 17 Jahren mit The Delilahs, damals eine reine Frauen*band, ernsthaft eine Musikkarriere einschlug, fühlte ich mich schon sehr allein. Ich konnte mich nicht mit anderen Musikerinnen* austauschen ‒ was auch menschlich sehr wichtig ist, wie ich an Anlässen von Helvetiarockt immer wieder erfahren kann.» Am «Female* Songwriting Camp» stelle sie nach wie vor fest, dass die Teilnehmerinnen* zunächst sehr unsicher seien. «Dann aber pushen sie sich zunehmend gegenseitig ‒ und eine solche Eigendynamik erhoffe ich mir auch für die Bestrebungen von Helvetiarockt.»

Entwicklung und Ausblick

Es ist schwer zu sagen, wie stark sich der Anteil der Frauen* in der Musikszene verbessert hat. Bei der SUISA ergab eine Auswertung immerhin, dass der Frauenanteil bei den Neumitgliedern in den letzten fünf Jahren grösser war als derjenige aller Urheber*innen (Ende 2018: 15,7 Prozent): Er betrug jeweils zwischen 19 und 21 Prozent. Das ist eine gute Ausgangslage für die weitere Arbeit von Helvetiarockt.

Nach Jahren des Aufbaus und des Erklärens könne sich Helvetiarockt nun verstärkt an die Umsetzung der Vereinsziele machen, meint denn auch Chantal Bolzern. «Wir haben auch gute neue Instrumente dazu wie etwa die mit Partnerinstitutionen geschaffene Diversity Roadmap, die Veranstaltern aufzeigt, wie sie der Diversität und Gleichstellung in Clubs und an Festivals Rechnung tragen können.» Hinzu kommen demnächst neue Angebote für professionelle Musikerinnen* sowie eine Erweiterung des bisherigen Kontakt-Pools.

Das Hauptziel des Vereins

«Wir kreieren eine neue Datenbank, die sich nicht auf Musikerinnen* beschränkt», verrät Manuela Jutzi. «Sie soll auch anderen Frauen* offenstehen, die in der Musikbranche tätig sind. Damit können wir die Sichtbarkeit von Frauen* in der Musikbranche erhöhen und gleichzeitig den Austausch unter ihnen erleichtern.» Das Hauptziel für Manuela Jutzi aber ist, «dass es Helvetiarockt dereinst nicht mehr braucht». Dies wäre ihrer Ansicht nach der Fall, wenn mindestens jede dritte Person in der Musikszene weiblich wäre.

Weitere Informationen: www.helvetiarockt.ch

* In diesem Text wird ausnahmsweise die Schreibweise mit dem Gender-Stern verwendet, wie sie von Helvetiarockt eingesetzt wird.

2 Antworten zu “10 Jahre Helvetiarockt: Die Stimme der Frauen* verstärken

  1. Gut möglich, dass Musikerinnen als Urheberinnen noch stark untervertreten sind: Komponieren und Song-Texte schreiben, ist offensichtlich nicht jederfrau’s Interesse und Talent. Hingegen sind gerade Sängerinnen als Interpretinnen (oftmals in Kombination mit Gitarren oder Piano/Keyboards) im Grunde wesentlich zahlreicher, als ihre männlichen Pendants! Wenn sie zudem – wie meistens – auch noch attraktiver aussehen, als singende Männer, verdienen sie auch noch entsprechend besser, als letztere…

    1. Elia Meier sagt:

      Guten Tag Jean-Pierre E. Reinle

      Es ist schön, dass Sie den Fakt anerkennen, dass es weniger Musikerinnen und Urheberinnen gibt. Wir denken aber nicht, dass ein Geschlecht etwas darüber aussagt, welche Themen sie oder ihn interessieren oder worin ein Mensch talentiert ist oder nicht. Natürlich kann es sein, dass aufgrund von gesellschaftlichen Normen Menschen gehemmt sein können, ein für sie unbekanntes/untypisches Terrain zu betreten. Dieses Verhalten hat jedoch nichts damit zu tun, dass diese Menschen nicht wollen. Es hat damit zu tun, dass Netzwerke ausschliessend wirken können. Es braucht uns alle um diese Normierungen und Stereotypen aufzubrechen und Menschen zu ermutigen zu machen was sie lieben. So haben wir in einer gleichgestellten Welt hoffentlich auch bald mehr Männer am Gesang und mehr Frauen am Schlagzeug. Ihrem Punkt bezüglich konventioneller Attraktivität, pflichten wir insofern bei, dass es durchaus so ist, dass leider Äusserlichkeiten zu Erfolg beitragen können. Wir sehen diesen Aspekt aber für alle Geschlechter. Nur wird es bei Männern nie herausgehoben. Frauen werden, so wie hier an Ihrem Beispiel, immer wieder systematisch auf ihr äusseres reduziert. Dabei wird ihnen jegliche Expertise abgesprochen. Wir wünschen uns genauso wie Sie, dass es ausschliesslich um Expertise geht. Und, dass diese Expertise unabhängig von äusserlichen Merkmalen und unabhängig von Geschlecht, allen Menschen zugetraut wird. Dafür müssen wir uns alle tagtäglich an der Nase nehmen, gelernte Strukturen zu durchbrechen. Es würde uns freuen Sie dabei an unserer Seite zu wissen.

      Freundliche Grüsse Elia Meier, Helvetiarockt

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