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New Jersey, südlich von Bern
Polo Hofer, Gewinner des Preises der FONDATION SUISA 2017, hat mit seinen Songtexten Eingang in die Volkskultur gefunden und das Lebensgefühl Rock'n'Roll für die Deutschschweiz übersetzt.
Foto: Patric Spahni
schildert der Berner Singer/Songwriter Christoph Trummer im Gastbeitrag.
Polo Hofer erhält den Preis der FONDATION SUISA 2017 in der Kategorie «Textautoren/innen». Was das Schaffen des Preisträgers auszeichnet,

Man könnte es kurz machen: Der Preis der FONDATION SUISA ist ein Anerkennungspreis für besonderes Schaffen. 2017 wird er zum ersten Mal an eine Textautorin oder einen Textautoren vergeben. Polo Hofer war nominiert. Was sonst hätte die Jury tun sollen?

Aber diesem würdigen Preisträger und seinem Werk widmen wir gerne etwas mehr Worte.

Menschen, die mit Jahrgängen nach 1970 in der Deutschschweiz aufgewachsen sind, dürften Mühe haben, sich ihre Schulzeit, ihre Jugend und das Leben in der Schweiz an sich vorzustellen ohne Polo Hofer und seine Songs und Texte. Einige, wie «Bin i gopfriedstutz e Kiosk» bis «Bim Sytesprung im Minimum e Gummi drum», sind zu Bonmots geworden, die aus der Alltagssprache nicht wegzudenken sind. «Alperose» können auch Menschen mitsingen, bei denen nicht mal die Eltern eine Polo-Hofer-CD besitzen.

Songtexte wurden zu Volkskultur

Diese Texte sind Volkskultur geworden, mit Sicherheit im deutschsprachigen Landesteil. Mit Polos Diskografie seit den frühen Rumpelstilz-Jahren lässt sich auch die Geschichte einer bewegten Schweiz nacherzählen. Der «Summer 68», als man (offenbar) zum Kiffen nach Kabul gereist ist. Die wilden 70er als Jahre des Aufbruchs, mit Rosmarie bis nach Spanien, freie Liebe neben dem «Teddybär». Die dunkle Seite des Traums in Form einer «Silbernaadle töif im Arm». Und schon damals, abgelöscht von der Konsumwelt voll im «Waarehuus Blues».

Polos Texte sind manchmal explizit politisch: «Da isch nüt vo Grächtigkeit / So wie’s i dr Verfassig schteit» («Um WAS geits?») Aber er erzählt auch Weltgeschichte als persönliche Geschichte, wenn eine alte Liebe mit dem Fall der Mauer endlich eine Chance bekommt («Wenn in Berlin bisch»). Und übt Gesellschaftskritik mit Rollenprosa, die ihre Poesie am Stammtisch gefunden hat, etwa wenn der Bauernsohn von der Lochmatt über die leeren Versprechen eines Lebens in den Lichtern der Stadt resümiert: «Lah mi vergässe bim rote Wy». Das ist volkstümlich im besten Sinne, und es hat auch seine Nebenwirkungen.

Manchmal geht ob der lauten Rolle des Polo National etwas unter, dass er als Texter auch anders kann. Wenn er «Im letschte Tram» über seine Endlichkeit sinniert, oder «I dr Gartebeiz vom Hotel Eden» im Wortsinn Gott und die Welt verhandelt, ohne sich dabei ins Intellektuelle zu versteigen.

Rock’n’Roll für die Schweiz übersetzt

Einige von Polo Hofers grossen Songs sind kongeniale Übersetzungen: Tom Waits «Jersey Girl» als «Meitschi vom Wyssebüehl», Todd Sniders «Alright Guy» als «Liebe Siech», Dylans «Leopard-Skin Pill- Box Hat» als «Schlangelädergurt». Und damit kommt man einer weiteren Rolle auf die Spur, die ihn (nicht nur) für die Mundartmusik in der Schweiz so bedeutsam macht: Er ist ein Übersetzer. Nicht nur ein Übersetzer von Songtexten, sondern einer der wichtigsten Übersetzer von Rock’n’Roll und Popkultur in unsere Kultur, in unsere Gepflogenheiten.

Polo Hofer hat die Sehnsüchte, auch die jugendliche Lüsternheit mit ihren halbstarken Zoten, die Rebellion gegen ein verhocktes System, kurz: das Lebensgefühl des Rock’n’Roll für die Deutschschweiz zum Klingen gebracht. D’Stüehl ewäg, mir sy giggerig u wei schwoofe. Er hat sich inspirieren lassen, er hat einige seiner Themen im Mythenkatalog des Rock’n’Roll gefunden und in die Schweiz gebracht: Mit Bobby McGee per Autostopp auf dem Highway würden wir kaum reisen, aber mit Rosmarie per Anhalter von Paris nach Gibraltar. Wyssebüehl ist näher als New Jersey.

Polo Hofer als zentrale Figur unserer Geschichte hat Türen geöffnet, durch die nun auch viele andere gehen konnten, selbst, wenn sie seine Musik gar nicht wirklich kennen sollten. Nun wird er ausgezeichnet für diese Arbeit. Und damit ist der Preis der FONDATION SUISA 2017 auch eine Art «Lifetime Achievement Award». Wir gratulieren von Herzen!

www.polohofer.ch

Der Preis der FONDATION SUISA ist ein Anerkennungspreis für besonderes Schaffen. Die FONDATION SUISA vergibt diesen Preis an Urheberinnen und Urheber sowie Verlegerinnen und Verleger, die mit ihrem Schaffen besonders zur Bereicherung des kulturellen Erbes unseres Landes beitragen. Der mit Fr. 25 000.- dotierte Preis wird jährlich in einer anderen Kategorie vergeben.

Christoph Trummer gewann den Preis der FONDATION SUISA 2011 in der Kategorie «Singer/Songwriter». Der Gastautor ist 1978 geboren und in Frutigen (BE) aufgewachsen. Neben seiner musikalischen Tätigkeit ist er Präsident des Vereins Musikschaffende Schweiz.

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