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Heisses Eisen Urheberrecht

Heisses Eisen Urheberrecht
Wohin geht die Zukunft des Urheberrechts? Lorenz Haas von IFPI Schweiz und der Gesprächsleiter Poto Wegener (SWISSPERFORM) an der Paneldiskussion am Musiksymposium 2014 in Zürich.
Foto: Wolfgang Rudigier
Wie sieht die Zukunft des Urheberrechts im Zeitalter des digitalen Overloads aus? Diese Frage konnte natürlich auch nicht in einer einstündigen Paneldiskussion am diesjährigen Musiksymposium in Zürich beantwortet werden. Im Gegenteil: Die Diskussionsrunde zu diesem Thema zeigte einmal mehr, wie komplex dieses Thema ist, wie unterschiedlich die Interessen der einzelnen Akteure sind – und letztlich: wie wichtig der Dialog ist.

Nein, es wurden keine Köpfe eingeschlagen, keiner verliess die Diskussionsrunde, und die Teilnehmer am Panel schrien sich auch nicht an. Dabei barg das Thema und die Zusammensetzung der Teilnehmer durchaus Eskalations-Potential. Auf der einen Seite sassen Musiker und Vertreter der Musikindustrie, die sich für eine faire Vergütung ihres Schaffens einsetzen. Auf der anderen Seite der Vorstandspräsident des Vereins Digitale Allmend, die einen öffentlichen Zugang zu digitalen Gütern und deren Weiterentwicklung sichern wollen. Hinzu kamen der Leiter Rechtsdienst von Swisscom und der Generaldirektor der SUISA.

Das Panel fand im Rahmen des Musiksymposiums am 9. September im Hallenstadion in Zürich statt. Im Publikum sassen rund 80 Vertreter aus der Musikbranche und deren Umfeld. Ausgangslage der Diskussion waren die Empfehlungen der Arbeitsgruppe zum Urheberrecht (AGUR12), die von Bundesrätin Simonetta Sommaruga im August 2012 einberufen worden war. Nach der Veröffentlichung des Schlussberichts der Arbeitsgruppe im Dezember 2013 hat sich der Bundesrat im Juni 2014 in einer Mitteilung für eine Modernisierung des Urheberrechts ausgesprochen.

Wer bezahlt wofür?

Das Gespräch kam rasch auf die grundlegende Frage, wie die Nutzung von Musik im Internet vergütet werden soll, wer wofür bezahlen soll, was erlaubt ist und was nicht. Bei Letzterem zeigt sich auch schon die Krux der ganzen Diskussion: Der Download, auch aus illegalen Quellen, soll in der Schweiz weiterhin legal bleiben. Dieser Zustand wurde sowohl von Vertretern der Musikindustrie wie auch von Swisscom moniert und bedauert. Allerdings war die Straf-Freiheit für die Konsumenten eine Grundvoraussetzung für die Massnahmen, die von der AGUR12 ausgearbeitet werden sollten.

Ausgehehend von dieser Tatsache diskutierten die Panelteilnehmer mögliche Modelle, die den Urhebern und Musikern eine faire Vergütung für ihr Schaffen zuteil kommen lässt. Die Musikvertreter sahen hier vor allem auch eine Pflicht der Telekommunikationsindustrie: Die zunehmend höheren Bandbreiten würden nicht zuletzt dafür verwendet, um urheberrechtlich geschützte Inhalte hoch- und runterzuladen. Dem widersprachen der Vertreter von Swisscom sowie der Vorstandspräsident der Digitalen Allmend. Treiber für die Breitbandentwicklung seien Telemedizin, das Arbeiten von zu Hause aus und das Fernsehen in hoher Auflösung.

Kondome versus illegal angebotene Musik

Auch bei der Diskussion, wie man den Zugang zu illegalen Quellen erschweren kann, prallten Welten aufeinander. Auf der einen Seite standen Musiker und Vertreter der Musikindustrie, die sich für Massnahmen wie Site-Blocking (das Sperren von illegalen Quellen) oder Warnhinweisen für Nutzer von illegalen Quellen einsetzten. Demgegenüber stand der Vertreter von Swisscom, der weder sein Unternehmen als Privatpolizei oder als verlängerter Arm der Musikindustrie sieht, noch die Kunden verärgern will.

Gegen solche Massnahmen sprach sich auch der Vertreter der Digitalen Allmend aus, der für eine Verhältnismässigkeit der Massnahmen plädierte und einen Kollateralschaden fürchtete. Würden solche Massnahmen erst einmal eingeführt, könnten beispielsweise auch Kirchenvertreter die Sperrung von Seiten mit Kondomwerbung verlangen. (Bloss werden Kondome von den entsprechenden Anbietern legal eingekauft, und die Kondomhersteller entsprechend vergütet. Bei illegalen Downloadportalen sehen die Urheber von Musik, Filmen etc. hingegen keinen roten Rappen.)

Unerwartet kam jedoch der Vorschlag des Vertreters der Digitalen Allmend, statt solcher Kontroll- und Sperrmassnahmen eine Grundvergütung für die Nutzung von Urheberrechten einzuführen. Dies wiederum geht den Rechtsinhabern zu weit, weil das einer pauschalen Belastung ohne jeglichen Bezug zur effektiven Nutzung von urheberrechtlich geschützten Werken gleichkäme.

Das Schlusswort, das aus dem Publikum kam, lieferte in dieser Diskussion einen interessanten Denkanstoss: Im Internet wurde in den letzten Jahren zu einem grossen Teil ein rechtsfreier Raum geschaffen. Eigentlich sei es nur richtig, dass moralische Grundsätze der Gesellschaft hinsichtlich Diebstahl auch fürs Internet gelten würden.

Fazit: Viele offene Fragen und ein langer Weg bis Ende 2015

Aus Zeitgründen konnte auf dieses Votum nicht eingegangen werden. Das einstündige Panel hätte sich durchaus noch verlängern lassen – zu viele Fragen wurden letztlich im Raum stehen gelassen. Allerdings konnte es auch nicht das Ziel dieser Diskussionsrunde gewesen sein, diese grundlegenden Fragen abschliessend zu beantworten.

Vielmehr hat die Diskussion aufgezeigt, welche Herausforderungen in naher Zukunft zu meistern sind. Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) steht vor der schwierigen Aufgabe, bis Ende 2015 eine Vorlage für eine Anpassung des Urheberrechts für die Vernehmlassung zu erarbeiten. Die Diskussion im Hallenstadion hat vor allem auch klar aufgezeigt, wie wichtig der Dialog zwischen allen Interessensvertretern letztlich ist.

Das Musiksymposium – The Music Meeting Day

Über 80 Personen aus der Musikbranche und deren Umfeld nahmen am 10. Musiksymposium im Zürcher Hallenstadion teil. Der Branchentreff bot neben Panels und Referaten den Anwesenden auch die Gelegenheit, ihr Netzwerk zu erweitern und sich mit wichtigen Akteuren des Musikbusiness auszutauschen. Organisiert wird der Anlass von der Schweizerischen Vereinigung der Musikverleger (www.svmv.ch).

Die Teilnehmer am Panel mit dem Titel «Wie sieht die Zukunft des Urheberrechts im Zeitalter des digitalen Overloads aus? Was geschieht nach dem Entscheid zu den AGUR12-Verhandlungen?» waren:

•    Lorenz Haas, Geschäftsführer IFPI Schweiz
•    Andreas von Gunten, Präsident Digitale Allmend
•    Christoph Trummer, Musiker und Präsident des Vereins «Musikschaffende Schweiz»
•    Andreas Wegelin, Generaldirektor SUISA
•    Patrick Dehmer, General Counsel Swisscom
•    Moderation: Poto Wegener, Direktor SWISSPERFORM

1 Antwort zu “Heisses Eisen Urheberrecht

  1. Hartwig Thomas sagt:

    „Wie wichtig der Dialog ist“: Wir haben die totale Dialogverweigerung der SUISA während 20 Jahren erlebt.
    Hier findet man die anderweitig unterdrückte andere Meinung:
    http://www.enterag.ch/hartwig/AGUR12.pdf
    Und hier eine ausführliche Darstellung, wie und warum das „geistige Eigentum“ in den letzten 20 Jahren ausser Kontrolle geraten ist:
    http://buchundnetz.com/werke/urheberrecht-und-internet/

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